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An Nikolaus Meyer

Von dem Antheil, den Sie an meiner Krankheit und Wiedergenesung nehmen würden, war ich völlig überzeugt; um so angenehmer ist mir die Versicherung desselben, so wie das gefällig Gesendete. Das Sonntagsblatt, ganz Ihrer Gegend angemessen, den nächsten Wünschen des Publicums zuvorkommend mancherlei Nützliches, Angenehmes, Unterhaltendes beibringen, mußte viel Theilnahme erregen, wodurch denn auch die Fortsetzung möglich ward. Sie werden immer so fortfahren und des Beyfalls versichert bleiben. Ich habe selbst gar manches darin gefunden, was ich mir anmerken und benutzen konnte.

Die Unannehmlichkeit, die Ihnen begegnet, hat so doch, wie ich sehe gute Früchte getragen; der geschnittene Stein ist allerdings interessant aus der römischen, obgleich späteren Zeit, gewiß aber nach einem ältern guten Muster gearbeitet; es stellt sich darauf die Medea vor, die der gefährlichen, vom[83] Baume herunter sich neigenden Schlange den Schlaftrunk vorhält, auf der andern Seite steht Jason, das goldne Vließ, von dem man nur das Haupt sieht, herunterzunehmen. Die Behandlung ist zwar etwas roh, doch geistreich.

Das Hogarthische Bild ist gut genug gedacht und lebhaft entworfen, doch finden sich gegenwärtig bey uns keine eigentliche Liebhaber dieser Kunstart.

Die mitgetheilte Erzählung ist sehr brav, dem Geist und Sinne der Zeitgemäß, worin sie gedichtet worden, so wie auch der alte Contract für höchst schätzenswerth zu achten ist.

Den Originalbrief des Herrn Bischof Münter lege ich in meine Sammlung; von mehreren bedeutenden Mitlebenden würde mir die Handschrift gleichfalls angenehm seyn.

Daß Ihre liebe Gattin noch als Mutter die Zierde jedes Kreises bleiben würde, ließ sich voraussetzen. Grüßen Sie solche schönstens mit Erinnerung an die guten Weimar-Jenaischen Stunden.

Sie wenden Ihre Zeit gut an, deswegen wird Ihnen so manches zu leisten möglich. Möge Ihnen dieß Glück noch lange gegönnt seyn.

Auch Ihrer Sammlungen erfreuen Sie sich immer mehr, denn würdige Gegenstände, die wir besitzen, haben die schöne Eigenschaft, daß die Freude daran sich mit den Jahren verdoppelt.

Was mich betrifft, so habe ich mich wieder in den[84] alten Gang einzuleiten gesucht, der durch eine so unerwartete Krankheit unterbrochen war. Möge das Resultat meiner Bemühungen, wie es öffentlich er scheint, auch Ihrer fortdauernden Theilnahme gewiß bleiben.

aufrichtig theilnehmend

Weimar den 18. Juni 1823.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Nikolaus Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6CF8-C