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An Carl Friedrich Zelter

So lange habe ich nichts von Ihnen gehört, und nicht zu Ihnen gesprochen, daß ich kaum weiß, wie ich meine Rede wieder anknüpfen soll. Damit jedoch das Schweigen nicht noch verstockter werde, will ich es aus dem Stegreife unterbrechen und mit Wenigem Gelegenheit geben zu neuer Unterhaltung.

[324] Meine kleine musicalische Anstalt war diesen Winter gleichfalls unterbrochen, und so habe ich auch weniger als sonst mit Ihnen eine heitere, geistige Gemeinschaft gehabt. Mit dem Theater habe ich mich viel beschäftigt und einen concentrirten Romeo auf die Bühne gebracht. Sie werden das Stück wahrscheinlich bald in Berlin sehen; nehmen Sie davon Anlaß, mir ein Wort zu sagen, wie Sie es finden, wie es Andere gefunden, und wie es gespielt worden. Ich höre gern, wenn Sie von der Leber referiren und urtheilen.

An dem 2. Bande meines biographischen Versuchs habe ich mehr durch Denken und Erinnern gearbeitet, als daß ich viel zu Papier gebracht hätte, komme ich nach Carlsbad, so wird es wohl rascher gehen. Dieser Band ist seinem Inhalte nach nicht mehr der günstigste, man muß erst durch ein Thal durch ehe man wieder eine günstige und fröhliche Höhe erreicht; unterdessen wollen wir doch sehen, wie wir es mit unseren Freunden, Herr von Einsiedel und Riemer, haben sich auch ein Stück Calderon, das Leben ein Traum übersetzt und bearbeitet. Unsere Schauspieler haben es bey der Aufführung, und ich mit den technischen Theatergeistern beym Arrangement an Fleiß und Aufmerksamkeit nicht fehlen lassen, dadurch denn ein gutes und dauerhaftes Stück gewonnen worden.

[325] Freund Riemer ist seit Ostern bey dem hiesigen Gymnasium als Professor angestellt; so ungern ich ihn verliere, so freut mich's doch, ihn thätig zu wissen und zwar auf eine, seinen Kräften und Talenten angemessene Weise. Ja, er vermag weit mehr als hier von ihm gefordert wird, und so kann es ihm an Behaglichkeit in seinen Geschäften nicht fehlen.

Weiteres müßte ich nicht viel zu sagen, als daß ich gegen Ende des Monats nach Carlsbad zu gehen denke; wollen Sie daher, wie ich wünsche, mir noch etwas von Sich vernehmen lassen, so thun Sie es bald, wenn mich Ihr Schreiben noch hier finden soll. Sagen Sie mir wie es um Ihrem Thun und Lassen, und wie es um Ihre nächsten Umgebungen steht.

Tausend Grüße und Wünsche.

W. d. 8. Apr.

1812.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6D6D-B