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An Carl Friedrich Zelter

Dein stöbernder Professor hat denn doch durch Vergrößerungsbrillen sich umgeschaut; bis auf den[121] heutigen Tag liegen fünf stärkere und schwächere Bände Manuscript bis Ende 1829 vor mir; 1830 wird den 6. Band anfangen. Alsdenn möchte man acht gedruckte Bände, wie die Schillerische Correspondenz, den Band zu einem Alphabet und drüber, garantiren können. Du siehst, daß es ein Schatz ist, von welchem die einzelnen Originale festzuhalten sind; Riemer übernimmt die nicht geringen Arbeit der Redaction; das Recht sich auf dem Titel als Herausgeber zu nennen wird er mit großer Sorgfalt zu gewinnen wissen. So lange ich lebe, werd ich ihm nachhelfen; denn es verlangt nicht allein Aufmerksamkeit, sondern auch Resolution, weil ich besonders alles Auffallende und Beleidigende möchte getilgt sehen, ohne daß dadurch der Derbheit und Tüchtigkeit Eintrag geschehe.

Dein Wappen, das mir ein guter Geist eingegeben, wird mir immer lieber. Überhaupt muß man sich nicht versagen, dasjenige aber- und abermal gut zu finden, was uns und andern einmal gelang, da dergleichen nicht immer zur Hand kommt. Daß ja die gute Facius in dem bisherigen Sinne fortfahre! Sendet mir das Resultat eurer Bemühungen. Gerade da, wo vom Entstehen eines Kunstwerks die Rede ist, kommt unter vernünftigen Menschen das Beste zur Sprache. Junge Künstler in meiner Nähe jammern mich oft; sie sind dem Falschen dergestalt leidenschaftlich ergeben, weil es ihren mäßigen Talenten zusagt, daß sie sich über die Verblendung von unser einem wundern [122] und betrüben müssen. Unglücklicherweise sind sie bescheiden und hoffen und streben, es immer besser zu machen, ohne freylich nur zu ahnen, daß der eingeschlagene Weg zuletzt nur zur Verzweiflung führt.

Indessen fahr ich immer fort sachte zu sammeln und habe die kostbarsten Dinge erhalten, auf die glücklicherweise niemand ein Auge hat. Eine Zeichnung von Augustin Carracci übertrifft alle Erwartung, weil ein ganzer Mann, aus seiner ganzen Natur, etwas glücklich hervorgebracht hat; man fragt nicht nach einem Höheren und Bessern.

Das begreifen unsre neusten Kunstaristokraten nicht, welche gegen diese höchst schätzbare Familie und ihre Wirkung eine ganz absurd-vornehme Stellung nehmen; und doch sind jene gerade die Leo's und Durante's ihrer Kunst und Zeit.

Du thust wohl, in deiner Kunst zu leben und leben zu lassen, ich mach es im Grunde auch so; denn wo nur halbweg ein menschlicher Funke hervorleuchtet, mag ich gerne beyfällig seyn.

Beyspiele, wo ich segnete und wo ich fluchte, mag ich selbst diesem Blatte nicht anvertrauen; mögen sie doch herauf- und herabwandeln, wie sie können.

Da ich dir übrigens nichts abschlagen kann, so folgen auch die paar Strophen zu Mara's Feste. Ich weiß nicht, was Hummel gethan hat. Nach meinem Sinne hätte die erste Strophe ganz die Sta. Elena al Calvario von Hasse anklingend zurückrufen müssen, [123] die zweyte konnte so original und modern seyn, als sie wollte.

Nun noch einen löblichen Hauptpunct! Das Außenbleiben meines Sohnes muß ich mir nun nach und nach gefallen lassen; der aufgedrungene Versuch, nochmals Hausvater zu seyn, gelingt mir nicht übel; damit aber doch jene bedeutende Natur für seine Gönner nicht so stumpf abklinge, so habe ich zuerst den italiänischen Freunden einen, freylich nur sehr flüchtigen, Abriß seiner Reisemonate aufgesetzt, den ich dir nun auch nächstens abschriftlich übersende. Es ist immer etwas; freylich sind seine Tagebücher höchst interessant, aber wegen der immer hervorstechenden Individualität, die du ja kanntest, nicht in ihrer eigensten Energie und Entschiedenheit mitzutheilen. Das wäre einmal eine Lesung, wenn es sich glücklich fügte, daß du uns wieder besuchtest; der Schwan würde darüber seine Flügel ausbreiten.

A propos vom Schwane: Herr Geh. Oberfinanzrath Beuth hat mir wieder eine ganz unschätzbare Gabe gesendet; ich habe meinen lebhaftesten Dank sogleich erwidert, und gibt es Gelegenheit, ihm unmittelbar ein Wort darüber zu sagen, wie sehr er mich verpflichtet hat, so versäum es nicht.

und so fort an!
Weimar den 19. Februar 1831.
G.

[124] [Beilage.]
Der
Demoiselle Schmeling,
nach Ausführung
der Hassischen
Sta. Elena al Calvario
Leipzig 1771.

Klarster Stimme, froh an Sinn –
Reinste Jugendgabe –
Zogst du mit der Kaiserin
Nach dem heilgen Grabe.
Dort, wo alles wohlgelang,
Unter die Beglückten
Riß dein herrschender Gesang
Mich den Hochentzückten.

An
Madame Mara
zum frohen
Jahresfest
Weimar
1831.

Sangreich war dein Ehrenweg
Jede Brust erwiternd,
Sang auch ich auf Pfad und Steg,
Müh' und Schritt erheiternd.
Nah dem Ziele, denk ich heut'
Jener Zeit der Süßen;
Fühle mit, wie mich's erfreut
Segnend dich zu grüßen.
[125]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6D98-9