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An Johann Heinrich Merck

Weimar, d. 3. Juli 80.

Seitdem du deinen Garten hast, hört man wenig von dir. Dein letzter Brief über Mosern an den Herzog war uns sehr willkommen. Schreibe ja von dieser Sache mehr, es unterhält und nützt, und wenn [246] die Leute heurathen, oder auf irgend eine Weise sterben, so ist billig, daß drüber räsonnirt wird.

Oeser ist 14 Tage in Ettersburg gewesen und hat uns zu mancherlei Guten geholfen. Klauer hat seinen Kopf ganz allerliebst bossirt, er soll in Gips gegossen und in unsern grauen Stein gehauen werden.

A propos, von Steinen hab ich jetzo etwas sehr Angenehmes und unterhaltendes angefangen. Durch einen jungen Menschen, den wir zum Bergwesen herbeiziehen, lass' ich eine mineralogische Beschreibung von Weimar, Eisenach und Jena machen. Er bringt alle Steinarten, mit seiner Beschreibung überein nummerirt, mit, woraus ein sehr einfaches, aber für uns interessantes Cabinet entsteht. Wir finden auch mancherlei, das gut und nützlich, ich will eben nicht sagen, einträglich ist.

Du thätest mir einen Gefallen, wenn du mir gelegentlich ein Stück von den Graniten schicktest, die nicht weit von Euch im Gebürge liegen und wo große abgesägte Stücke davon glauben machen, daß die Römer ihre Obelisten daher geholt haben. Wenn du einmal Gelegenheit findest, zu erforschen, was der Feldberg auf seiner höchsten Höhe für Steine hat, wird es mir auch sehr angenehm seyn zu wissen.

Wenn du dem Herzog wieder schreibst, sei nur ja recht weitläufig über die seltsame Catastrophe von Mosern. Es ist möglich, daß der Mensch noch drei-, viermal so verändert, eh er stirbt; was einmal in der[247] Natur stickt, zwingt den Menschen zu handeln; er findt doch noch in Deutschland Herren genug, die seiner bedürfen, ob es gleich immer jedem sehr thöricht scheinen muß, daß er sich einer so vortheilhaften Lage hat begeben mögen.

Schick doch ja die Dürerische Holzschnitte zurück; ich brauch sie äußerst nothwendig und wenn du die schöne Jahreszeit über den Gersaint entbehren kannst mit dem Supplemente, so schick mir ihn mit.

In Ettersburg wird elektrifirt und Anstalten zu neuen wunderseltsamen Schauspielen werden gemacht. Die Herzogin war sehr vergnügt, so lang Oeser da war, jetzo geht's freilich schon ein wenig einfacher zu. Der Alte hatte den ganzen Tag etwas zu kramen, anzugeben, zu verändern, zu zeichnen, zu deuten, zu besprechen, zu lehren u s.w., daß keine Minute leer war.

Adieu! laß bald von dir hören.

Weil noch so viel Platz übrig ist, will ich dir von unsern neusten Theater Nachrichten etwas Ausführlichers mittheilen.

In etwa 14 Tagen

wird auf dem Ettersburger Theater

vorgestellet werden:

der Vögel,

eines Lustspiels nach dem Griechischen und

nicht nach dem Griechischen, [248] Erster Act,

welcher für sich ein angenehmes Ganze ausmachen

soll.

Hiernach wird ein Epilogus von M. Schröter gehalten

werden, wie folgt:

Der erste, der den Inhalt diese Stücks nach seiner Weise auf's Theater brachte, war Aristophanes, der Ungezogne. Wenn unser Dichter, dem nichts angelegner ist, als euch ein Stündchen Lust und etwa auch Beherzigung nach seiner Weise zu verschaffen, in ein und anderem gesündiget; so bittet er durch meinen und euch allerseits um Verzeihung. Denn, wie ihr billig seyd, so werdet ihr erwägen, daß von Athen nach Ettersburg mit einem Salto mortale nur zu gelangen war. Auch ist er sich bewusst, mit so viel Gutmüthigkeit und Ehrbarkeit des alten declarirten Bösewichts verrufne Späse hier eingeführt zu haben, daß er Eures Beifalls sich schmeicheln darf. Auch bitten wir euch, zu bedenken, denn etwas Denken ist dem Menschen immer nütze, daß mit dem Scherz es wie mit Wunden ist, die niemals nach so ganz gemessnem Maas, und reinlich abgezogenem Gewicht gegeben werden. Wir haben, nur gar kurz gefasst, den Eingang des ganzen Werks zur Probe hier demüthig vorgestellt; sind aber auch erbötig, wenn es gefallen hat, den weiteren weitläufigen Erfolg von dieser wunderbaren doch wahrhaften Geschichte nach unsrer besten Möge vorzutragen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1780. An Johann Heinrich Merck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DA9-3