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An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Den Grohmannischen Aufsatz habe ich öfter und diesen Morgen wieder gelesen und ich gestehe gern,[239] daß ich nicht einsehe, wie er einen Platz in dem Intelligenzblatt finden kann.

Es ist keine Anzeige, keine Berichtigung, keine Vertheidigung, keine Belehrung, sogar kein Angriff; denn ich wüßte nicht, was diejenigen, gegen die er gerichtet ist, dagegen thun oder äußern sollten. Es ist eine grobe, beleidigende Höhnerey, ein Versichern des Verfassers, daß ihm das nicht zu Kopfe will, was andre denken und lehren, welche Versicherung man, höflicher oder gröber, von allen Philosophen hören kann, deren Individualität gegenwärtig den deutschen philosophischen Parnaß entzweyt.

Unsre Maxime, in diesem Fach mehr darstellende und begünstigende Recension, als tadelnde und widerwärtige aufzunehmen, ist, wie auch schon die Erfahrung gezeigt hat, sehr gut; sollten wir nun gehässige Invectiven und Grobheiten ins Intelligenzblatt aufnehmen? Dazu würden besondre Beyblätter nöthig seyn; denn jeder hätte doch am Ende dasselbe Recht und man könnte ihm den Raum nicht versagen. Giebt es doch schon der Blätter zu viel, wo dergleichen Dinge stattfinden, und ich wünschte nicht, daß, wie hier schon der Fall ist, das unsrige sich als Echo derEleganten Zeitung u.s.w. hören ließe.

Herrn Wagner ist es ohnehin bey uns nicht zum besten gegangen, aber man hat ihn mit Gründen, mit Sinn, mit Zusammenhang getadelt; warum wollte man ihn hinterdrein noch verhöhnen und beleidigen?

[240] Herr Schelling ist niemals unbedingt bey uns gelobt worden; es findet sich mehr als eine bedingende und in die Sache tief eingreifende Erinnerung, sodaß also auch hier kein Parteygeist erscheint. Sollte man aber nur alsdann unparteyisch genannt werden, wenn man Männer die man schätzt, in seinem Reviere mißhandeln läßt, so würde ich für meine Person gern auf den Ruf der Unparteylichkeit Verzicht thun.

Die letzte Wagnerische Erklärung im Intelligenzblatt, auf die ich erst aufmerksam geworden bin, ist auf alle Fälle zulässiger; denn Herr Wagner erklärt sich doch, was er für wahre Philosophie hält. Doch hätte ich den Ausdruck aufgewärmter Platonismus ausgelöscht gewünscht. Warum studiren wir denn die alten, als: ähnliche Gesinnungen bey ihnen zu finden oder uns ihnen ähnlich zu bilden? Das kann nun jeder Mißwollende »aufwärmen« heißen.

Wollte Herr Grohmann auch kürzlich und ohne zu polemisiren dasjenige darlegen was er für wahre Philosophie halte, so sollte ich denken, daß alsdann ein Aufsatz von ihm so gut als ein andrer aufgenommen werden könnte.

Ich bin weitläuftig über diese Sache und wünsche mich noch weitläuftiger darüber gelegentlich mit Ew. Wohlgeb. auszureden. Das vergangene Jahr hat sich ehrenvoll bewiesen und der neue Jahrgang fängt auch recht tüchtig und erfreulich an; lassen Sie uns ja alles vermeiden, was uns einigermaßen der verhaßten [241] Classe der widerwärtigen deutschen Blätter nähern könnte.

Weimar den 16. Januar 1805.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1805. An Heinrich Carl Abraham Eichstädt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DB3-B