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An den Herzog Carl August

Ew. Durchl.

so oft erprobter gnädiger Vorsorge für mich und die Meinigen, Höchst Ihro eigenem Willen und Antrieb auch eine fürstliche Begünstigung meines Sohnes völlig zu überlassen war mein fester Vorsatz. Verzeihen Ew. Durchl. eine voreilige Bitte, zu der mich die Umstände veranlassen. Meinen Sohn schon für den nächsten Winter aus lästigen Verhältnissen befreyt und in einer heiteren Sphäre zu sehen ist mein Wunsch dessen gnädige Gewährung jedoch gänzlich Ew. Durchl. höhern Einsichten überlassen sey.

W. d. 8. Octbr. 1810.

Goethe.


[Beilage.]

Ew. Durchl.

verzeihen eine unterthänigste Bitte deren gnädige Gewährung ich mit dem lebhaftesten Danck, deren Versagung ich mit heiterer Ergebenheit empfangen werde.

[396] Es betrifft meinen Sohn August, der bald sein 21stes Jahr erfüllt und für den ich die Stelle eines Cammerassessors erbitten möchte.

Ich führe nur kürzlich an, daß er von Jugend auf in mancherley Kenntnissen unterrichtet worden; daß er anderthalb Jahre in Heidelberg der Jurisprudenz hauptsächlich sich befleißigt, weil sie als Fundament eines Geschäftslebens anzusehen ist; daß er nunmehr ein Jahr in Jena diese Studien fortgesetzt und zugleich was von Cameral und Öconomischen Wissenschaften überliefert wird, sich zuzueignen gesucht hat, und daß sein Betragen gleichförmig und lobenswürdig sey. Dieses alles jedoch würde mich nicht zu jener Bitte bewegen, indem er wohl noch einige Zeit in Jena zu verweilen und sodann bey einem Rentbeamten auf dem Lande den Gang der Geschäfte von unten hinauf zu lernen gedenckt.

Denn eigentlich entspringt mein gewissermassen voreiliger Wunsch aus der peinlichen Lage in welcher sich mein Sohn in Jena befindet. Die mancherley Verbindungen der Studenten sind bekannt, die unter der Form von Landsmannschaften, geheimen Orden, Congregationen, Kränzchen und Gelagen sich constituiren, einander entgegen arbeiten, Händel und Explosionen verursachen, sodann gestört unterdrückt und niemals ausgerottet werden. Diese Dinge hat mein Sohn, mit meinem Vorwissen, in Heidelberg gründlich kennen gelernt, in Jena enthält er sich, rücksichtlich [397] auf seine Verhältnisse, von allem und steht dadurch freylich ganz isolirt und muß gegen alle Parteyen face machen, welches denn, so klug er sich auch benimmt, ein unbequemer und gefährlicher Stand bleibt.

Hierzu kommt noch daß er als Student von einer Gesellschaft der Honoratioren ausgeschlossen ist, welche man die Resourçe nennt, und welche keinen Studirenden aufnimmt.

Es ist also in diesem Sinne daß ich Ew. Durchl. bitte, die ihm etwa zugedachte Gnade zu beschleunigen. Sobald er aus der Reihe der Studenten herausgehoben ist, hat er keine Anfechtung weiter und kann seine Winterabende in Gesellschaft von Professoren, fürstlichen Dienern, Kaufleuten und andern im Leben schon eingeweihten Männern zubringen, manches erfahren und sich zu manchem bilden. Auch wird es kein geringer Antrieb für ihn seyn, wenn Ew. Durchl. ihm das bestimmte Ziel schon früher aufstecken das er zu erreichen hat. Er ist eigentlich pracktischer Natur, auch über seine Jahre im Leben einsichtig und gewanndt, und weiß, wie ich schon in häuslichen Dingen sehe, ein ihm aufgetragnes Geschäft mit Ruhe und Sicherheit durchzuführen. Dabey hegt er eine treue angeborne Anhänglichkeit an Ew. Durchl. Höchste Person und was das Glück hat Ihnen anzugehören. Nach aussen, in die Fremde bemerckt man kein Streben, keine Richtung an ihm, so daß er sich sehr bald mit [398] dem vorliegenden Innern bekannt machen und im Gegenwärtigen und Einzelnen brauchbar und nützlich seyn wird. Irgend einer Prüfung unterwirft er sich mit Vergnügen.

Zutrauensvoll und verehrend

Ew. Durchl

Weimar d. 8. Octbr.

unterthänigster

1810.

J. W. v. Goethe

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DB8-1