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An Carl Ludwig von Knebel

Weimar den 21. October 1809.

Es versteht sich von selbst, daß ich an diesen schönen Tagen gar zu gern vor deinen Fenstern in die Hände patschen und dich zum Spaziergang auffordern [119] möchte. Ich gehe zwar auch hier weit und breit umher; doch läßt sich, wenn ich aufrichtig seyn soll, der Gegend nichts abgewinnen, sobald man einmal an die Jenaische gewöhnt ist. Doch was ist zu thun! Wir müssen uns eben auf diesen Winter einrichten.

Dein Carl wird wohl in dem Wald von Herrmannstadt sich gehörig ergangen haben. Ich hoffe er hat erzählt, daß die Abenteuer glücklich abgelaufen sind. Ich schicke ihm hier einiges zur Übung: er soll es nur hübsch sorgfältig nachzeichnen und nicht allzugeschwind verfahren. Er schickt mir alsdann seine Copie mit den Originalen zurück und erhält wieder etwas Neues.

Wenn wieder ein wichtiges Stück vorkommt, so melde ich es und du sendest mir ihn auf längere Zeit.

Die große Ausgabe von Musarion von der du wirst gehört haben, ist nun auch in meine Hände gekommen. Sie ist wirklich recht schön und lobenswürdig, und muß den guten Wieland freuen. Er hat sich von seiner bösen Krankheit, wie er uns sagen läßt, wieder ganz leidlich erholt. ich habe ihn noch nicht wiedergesehen, weil er nicht gern Jemand zu sich ließ.

Mein August freut sich sehr auf Jena. Erlaube ihm, daß er dich von Zeit zu Zeit besucht: er wird dir, hoffe ich, diesen Winter kein unangenehmer Gesellschafter werden.

Den 2. Teil meines Romans schicke ich dir nicht; du möchtest mich darüber noch mehr als über den [120] ersten ausschelten. Kommt er dir von andern Seiten her in die Hände, so bin ich alsdann unschuldig daran. Die armen Autoren müssen viel leiden und es ist hergebracht, daß gerade die größte Noth machen.

Außerdem könnte ich von allerley guten und erfreulichen Dingen Nachricht geben, die aber mit Augen gesehen seyn wollen. So ist z.B. ein kleines Programm über das Theater in architectonischer Hinsicht, mit Beziehung auf Plan und Ausführung des neuen Hoftheaters zu Carlsruhe, durch Weinbrenner zu uns gekommen. Es verdient dieses Unternehmen alle Aufmerksamkeit und Achtung.

Ich habe die ruhigen Tage, besonders im Gegensatz mit den Octobertagen von 1806, zum Theil dazu verwendet, meine Sammlungen wo nicht zu ordnen, doch wenigstens etwas mehr zusammenzubringen. Dabey habe ich viel Freude gehabt: denn ich habe wirklich recht schöne Sachen, die mir in diesen unruhigen Jahren ganz aus dem Gedächtniß gekommen sind. Du würdest gar nicht übel thun, auch deine Schubladen etwas mehr zu rangiren: denn du hast köstliche Sachen, nur gehst du etwas zu wild damit um.

Solltest du in diesen Tagen einsame Stunden haben, wie ich vermuthe, so kommt dir Jemand seine schuldige Aufwartung zu machen und dir die Zeit zu vertreiben. Lebe recht wohl und grüße die Deinigen.

G. [121]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DC6-3