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An Friedrich Heinrich Wilhelm Körte

[Concept.]

Bey Ew. Wohlgeboren nach so langer zeit mein Andenken wieder zu erneuern, mich nach Ihrem und[7] der lieben Ihrigen Befinden zu erkundigen, ergreife gegenwärtig ohne Gedenken eine etwas sonderbare Gelegenheit.

Sie haben in dem Archiv der Urwelt uns Nachricht und Abbildung eines Urstier-Schädels gegeben, welches beides mich und die hiesigen Naturfreunde ganz besonders interessirt. Wir fanden nämlich nicht nur schon vor geraumer Zeit zwey Hornkerne solcher Art in dem Ilmtiefe, sondern es ist auch im vorigen Sommer in den Torfmooren von Haßleben, des Amtes Großrudestedt, hinter dem Ettersberg und also in der Unstrutregion, ein ziemlich vollständiges Skelett eines solchen Thiers aufgestellt worden.

In der Beylage Nr. 1 finden dieselben das Maaß dieses Haßleber Stieres, den Kopf ausführlicher, mit einem ungarischen skelettirten Stierkopf, sodann aber auch mit Ihren Angaben, sowohl des Urstiers von Frose als des voigtländischen, tabellarisch verglichen.

Nach denen eingeschriebenen Zahlen würden Ihre beiden Häupter, sowohl der ältere als auch der neuere, kleiner als die unsrigen erscheinen, da aber der Ihre nach Halberstädter Werkmaaß und also nach dem in ganz Preußen angenommenen rheinländischen Fuß gemessen ist, dieser aber 1 und 3/10 Zoll größer ist als das Leipziger und daher auch als unser Maaß; so ginge bey Vergleichung daraus hervor, daß Ihre beiden Köpfe wenigstens in einigen Theilen größer seyen als die [8] unsrigen. Weil es nun aber wünschenswerth wäre, daß man hierüber ganz in's Klare käme, eine berechnende Vergleichung aber zweyer Maaßstäbe immer auf kleine Brücke führt; so trag ich um so weniger Bedenken mich an Dieselbigen zu wenden, als nach Betrachtung Ihres wohl durchdachten Aufsatzes voraussetzen darf, daß die Nachricht und nähere Kenntniß unsres Fundes auch Sie gewiß interessiren wird.

Meine Bitte geht also dahin: Sie möchten in die leergelassenen Columnen der Tabelle Nr. 2 das Maaß der bey Ihnen vorhandenen Schädel, nach beyliegendem Maaßstab sich hervorthun wird.

Noch füge hinzu, daß die Gestalt unseres Schädels mit dem Ihrigen vollkommen übereintrifft, besonders aber die Inwärtsbeugung der Hörner; allein es fehlt bey uns ein größerer Theil des Oberkiefers und die Thränenbeine, das Übrige jedoch ist aus der Tabelle zu ersehen. Da ich nun in dem eben zu edirenden vierten Hefte der Morphologie dieser Erscheinung zu gedenken und mich Ihres Antheils zu rühmen hoffe; so bitte um baldige gefällige Erfüllung meines Wunsches. Dagegen ein Exemplar meiner zwey nunmehr abzuschließenden Bände: Über Naturwissenschaft überhaupt und Morphologie in's Besondere aufwarten soll.

Darf ich zugleich meine Bitte wiederholen, mich Ihrer theuren Gattin zu empfehlen und mir von [9] Ihrem beiderseitigen guten und glücklichen Befinden freundliche Nachricht zu geben?

Weimar den 13. April 1822.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Friedrich Heinrich Wilhelm Körte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DFA-F