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An Carl Ludwig von Knebel

Zuvörderst also, mein Theuerster, muß ich Glück wünschen, daß es unserm Carl so wohl geht; für ihn war freylich nicht zu sorgen, er hat eine Art und Weise, die überall gefällt und Eingang findet. Wenn der Begleitete sich so gut hält als der Begleiter, so werden wir uns des Unternehmens freuen können; es ist keine Kleinigkeit, in solcher Jugend und bey so gesetztem Wesen diese weite herrliche Welt zu beschauen. Ich freue mich auch von ihm zu hören, daß die Engländer meiner im Guten gedenken.

[94] Der Brief des wohlgesinnten und wohlmeynend-beschäftigten hallischen Freundes liegt hier bey; grüß ihn schönstens und melde, daß er in diesen Tagen ein Schreiben mit einigem Beytrag zu seinen Endzwecken erhalten wird.

Heute geht ein gar feiner junger Mann von hier ab, mit Namen Eckermann, den du gewiß freundlich aufnehmen wirst. Er denkt sich ein Vierteljahr in Jena aufzuhalten, ist aus Niedersachsen gebürtig, kennt die deutsche Literatur und hat zu meinen Arbeiten besondere Neigung und Vertrauen. Er wird dir von Zeit zu Zeit eine angenehme Unterhaltung geben. Ich bereite mich zu meiner Abreise, welches mir dießmal besonders viel zu schaffen gibt; denn gar manches durch unsere Winter- und Frühjahrsübel Retardirte mußte nachgeholt werden.

Daß du auf's Tiefurter Thal verzichtest, freut mich zu hören; denn, wie ich den dortigen Zustand kenne, so wärst du in die größte Abhängigkeit geraten. Frühstück, Abendbrod, Nachtball folgen einander, vor welchen Überfreuden du dich nicht leicht hättest retten können. Ich sage dieß um den Entschluß zur Aufopferung auch noch hinterdrein zu billigen.

Unsere gnädigsten Herrschaften, vom Regen gar übel begleitet und empfangen, sind doch sämmtlich guten Muths und werden vom steigenden Barometer gar sehr ergötzt seyn.

[95] Unser gute Hofrath Meyer, nach Wiesbaden reisend, ward in Gotha durch ein bedenkliches Übel festgehalten, gerade zu der Zeit, als die Herrschaft durchging. Soret und Huschke konnte sich bey dieser Gelegenheit sehr freundlich und hülfreich erweisen; der erste blieb bey ihm zur Wartung, der andere kehrte gleich von Wilhelmsthal zurück. Ein entschlossener Arzt, Hofrath Dorl, hat ihn gut behandelt, doch setzt er seine Reise nicht fort und kehrt in diesen Tagen hierher zurück. Es ist für unsern kleinen Zirkel dießmal ein sehr unfreundliches Jahr.

Meine beiden Hefte retardirten sich, nicht ganz ohne meine Schuld, ob ich sie gleich mit andern theile; wenn du sie erhälst, wirf ihnen einen freundlichen Blick zu. Von den nächsten vier Wochen wollen wir das Beste hoffen, das sich denn doch nicht voraussehen, noch weniger sagen läßt. Mögen die Übel, die dich und die Deinigen ergriffen haben, wo nicht schon jetzt, doch bald vorüber seyn! Kaum werde ich, zu Ende der Woche durch Jena durchgehend, dich auf einen Augenblick besuchen können; durch die mittwochischen Boten würde noch etwas an mich gelangen; muntere Wellern auf, daß er mir irgend ein Wort sagt.

Tausend Freundliches zum Abschied.

dein

Weimar den 22. Juni 1823.

G. [96]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DFB-D