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An Christiane von Goethe

Carlsbad den 27. Aug. 1812.

Da eure Briefe mir sobald Nachricht gaben, wie es um euch steht, so ist es billig, daß ich auch wieder etwas von mir vernehmen lasse. Seit eurer Abreise sind nun schon vierzehn Tage vergangen, und ich sehe mit Betrübniß, daß nun auch mein Scheiden bald heranruckt. Bey dem sehr schönen Wetter und denen fast ganz im Freyen genießbaren Tagen wird Carlsbad immer anmuthiger, ob es gleich von Fremden verlassen ist und bey den Meinigen, die sich hier befinden, aus mehreren Ursachen keine besondere Heiterkeit wohnt. Meine fortgesetzten Beschäftigungen, der Umgang mit Staatsrath Langermann, ein wenig Zeichnen und Lectüre lassen mir die Zeit unvermerkt hinfließen und die große Ruhe im Haus und sonst macht mir den Aufenthalt sehr erquicklich. Nun wäre es erst die rechte Zeit, sich der Equipage zu bedienen und sich das Land umher noch einmal zu besehn.

[77] der alte Müller ist noch immer fleißig und dienstfertig und hört nicht auf, von allen Ecken und Enden Steine zusammenzuschleppen, wenn man nur einigermaßen einen Wink giebt, was man wünsche. Dieser Alte ist aber auch beynahe das einzige Lebenszeichen von Carlsbad. Madam Meyer ist fort, ein Fremder nach dem andern schließt den Laden und die Einwohner, die immer noch zufriedener seyn können, als es Anschein hatte, sind alle gedrückt und traurig. der Werth des Silbers fällt noch immer, sie wollen jetzt nur hundert und fünf und vierzig für 100 geben. In Prag und den übrigen Theilen des Erblandes fallen die Preise wegen der herrlichen Erndte. In Carlsbad ist alles beym Alten und die Einwohner so üblen dran als die Fremden. Ich bin höchst neugierig, wie sich dieses Wesen in einem halben Jahre wird eingerichtet haben.

Grüße Augusten schönstens; ich freue mich über seinen Geschäftsgang, seine Reise und seine Aussichten. Wir sprechen uns nun bald selbst und da, denke ich, soll's vergnüglich vorwärts gehn.

Die Sache wegen Frankfurt muß wohl ruhen bis ich wieder komme; denn ohne Schlossers Mitwissen dürfen wir keinen Schritt thun. Daß eine Freundinn die Sache indessen hat einleiten wollen, ist des besten Dankes werth.

Grüßet alle Freunde. Eure schnelle Reise hat mir sehr wohlgefallen; ich will sehn ob ich nicht ein [78] Gleiches thun kann. Ergetzt Euch beym Vogelschießen so gut es sich thun läßt und gedenket mein.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6E17-5