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An Johann Kaspar Lavater

d. 18ten März.
Die Stille von Sonntagsfrüh will ich benutzen um mich mit dir mein lieber zu unterhalten.
Bäbe schreibt mir unterm ersten März was ich hier beyfüge.

Durch ein fatales versehen ist von der Reblaub nur mit schwerer Post mit einer Rolle an Kaiser ein päckgen groß quart zusammengelegt eingegangen – das letzte ist nun etwas daß nicht soll eröffnet werden – entweder so verbrannt – oder mit gelegenheit wieder zurückgeschickt werden soll –

Also wäre das nicht aufzumachende, das Päckchen in gros Quart.

Du schreibst unterm 3. März, es sey ein dir gehörendes Rouleau. Noch aber ist nichts angekommen als ein Packet gros Oktav, das Religiose Poesien enthält, davon ich nichts lese weil ich doch dencke es könnte dir zuwider seyn. Auch hab ich sorgfältig nachgesehen ob etwa ein Billet drinne läge deswegen ihr in Verlegenheit wäret, um es dir sogleich zu schicken, aber auch nichts dergleichen ist dabey. Deswegen [86] erwart ich neue Nachricht und Auftrag. Käme ein Rouleau so lass ichs nicht aufmachen, und eröffne es auch selbst nicht.

Was du mir in dem Brutus schencktest hast du wohl gewusst. Ich dancke dir tausendmal. In der Mäsigkeit und Mittelmäsigkeit des Lebens tritt eine solche Erscheinung ungeheuer würckend auf. Wir legens aus, daß es der Moment sey wo er den Geist sieht. Ist's so gemeynt? Deine Auslage ersez ich mit Freuden.

Auf die überschickten Gemählde wart ich mit Schmerzen das Grose ist so selten. Halten wir die Trümmer der Statuen so wehrt, klauben wir sie aus dem Greuel der Verwüstung und der Restauration so ängstlich hervor, warum nicht Gemählde.

Es ist mir leid daß dir in meinem didacktischen Briefe etwas misbehagt hat. Ich habe die Art wenn eine Sache auseinander zu sezzen ist grade mit dem Schwerdt drein zu gehn, es offt zu scharf, und nicht immer sein genug zu nehmen. Zu diesem Fehler bekenn ich mich im allgemeinen, ziehe auch in diesem Falle das ab, und zweifle nicht an meinem Glauben an dich Ganzen.

Du machst mir wohl da du sagst daß du gesund bist. Erhalt uns Gott lange auf dieser schönen Welt und in Krafft ihr zu dienen und sie zu nutzen. Mit mir stehts auch gut. Besonders innerlich. In weltlichen Dingen erwerb ich täglich mehr Gewandtheit, [87] und vom Geiste fallen mir täglich Schuppen und Nebel dass ich dencke er müsste zulezt ganz nackend dastehn, und doch bleiben ihm noch Hüllen genug.

Deine Rechnung vom 1. Nov. 80 hab ich erhalten, die grose nämlich, sonst seit der Zeit nichts.

Die Mannssilhouette will mir, verständig, wohl einsehend, fest, fein, und kältlich scheinen. Sag mir mehr und recktifizire, fern von dir und deinem Einfluss lern ich täglich zurück.

Die drey Könige! Seifenblasen, und Schwärmer, die dich noch dazu wohl verdriesen müssen. Daß ich den Glauben eines Teils der Welt, sogut als des andern, als Fabelfrazzen im Possenspiel tracktire. Verzeih mir, ich bin nun so.

Calliostro ist immer ein merckwürdiger Mensch. Und doch sind Narr mit Krafft, und Lump so nah verwandt. Ich darf nichts darüber sagen. ich bin über diesen Fleck unbeweglich. Doch lassen solche Menschen, Seiten der Menschheit sehen, die im gemeinen gange unbemerckt blieben.

Daß du meiner mit Branckoni im Guten gedacht hast erfreut mich. Das gewisse Andencken guter Menschen hat einen grösern Einfluß auf unser Leben, Charackter und Schicksaal als man sonst den Sternen zuschrieb.

Über Peter im Baumgarten ein besondres Blätgen das du an Tscharner schicken kannst.

Lynckern hab ich scharf exequirt. Er schiebts auf[88] Kaufmannen, daß der die Bestellung gemacht und die Bezahlung versprochen habe, ihm (Lynckern) auch noch Geld schuldig sey. Zulezt bekennt er sich nur zu 5 Carolin, die er mir auch ausgezahlt, und über die ich ihn quittirt habe; du kannst diese nun an Bucklen auszahlen und ich will dir sie zu gute schreiben, oder an wen du es verlangst entrichten.

Hast du des alten Königs Schrifft über die Deutsche Litteratur gelesen und was sagst du dazu. Lessings Tod hat mich sehr zurückgesezt, ich hatte viel Freude an ihm, und viel Hoffnung auf ihn.

Nun weis ich bald nichts mehr.

Kayser ist recht gut hier, er hört und sieht viel Musick und Menschen. Ich habe Absichten mit ihm davon mehr wenn sie reifer sind.

Grüs Bäben! Ihr bin ich lange einen Brief schuldig. Sie schrieb mir von einem Riesengeiste der dir erschienen sey. Verhalte mirs nicht.

Leb wohl. Grüse Frau und Kinder und sage mir etwas von ihnen.

Nun fang ich wieder an zu leben da um mich herum alle Knospen sich zu regen anfangen. Adieu. Nochmals Danck für den Brutus.

G.
Wegen der Uhr thust du was du willst.
[89]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Johann Kaspar Lavater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6E23-7