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An Christiane von Goethe

Carlsbad d. 23. August 1807.

August ist glücklich angekommen und freut und verwundert sich an den seltsamen Felsen, warmen Quellen und dergleichen, daß er sogar gleich angefangen hat, zu zeichnen und zu illuminiren, wobey er, wie es im Anfang geht, wo man noch nichts kann, große Freude hat.

Es ist höchst nöthig, daß du über Jahr, wenigstens auf eine Zeit, auch mit hergehst, damit du wenigstens weißt, wovon die Rede ist, weil das ganze Carlsbader Wesen gar nicht beschrieben werden kann. Augusten schmeckt der Melnicker vortrefflich. Es ist so ein Wasserweinchen, das leicht hinunterschleicht und von dem man viel trinken kann. Wir haben ihm den Spaß gemacht, daß eine Harfenfrau, als wir bey Tische saßen, das famose Lied: »Es kann ja nicht immer so bleiben« zu singen anfing, und was dergleichen Späße mehr sind. Übrigens aber ist es so leer hier, daß in den Sälen Abends kein Kronleuchter mehr angezündet wird und alle gesellige Vergnügen aufhören. Die Natur ist aber so schön, das Wetter so gut und die Umgebung so ruhig, daß ich wohl noch gern ein Bischen hier bleiben mag. Ich habe den Kutscher bestellt, daß er den 5. September wieder hier seyn soll, so daß wir siebenten nach Jena [389] abgingen, und also in drey bis vier Tagen daselbst wären; da du bald nähere Nachrichten haben solltest. Von einem Fall, der jedoch nicht wahrscheinlich ist, will ich zugleich sprechen. Es wäre nicht unmöglich, daß ich nach Töplitz ginge, da denn meine Begleiter allein nach Weimar zurückkehren würden. Ich habe zwar gar keinen eigentlichen Trieb dazu; aber der Herzog hat hier mündlich, und jetzt wieder schriftlich, dergestalt darauf insistirt, daß ich ihn dort besuchen soll, daß ich noch nicht weiß, ob ich es ablehnen kann und werde. Hiervon sagst du Niemanden nichts; ich sage aber nur gern das Mögliche, ja das Unwahrscheinliche voraus, damit es dir nicht einen unangenehmen Eindruck mache, wenn du etwas den Wagen ohne mich zurückkehren siehst. Denn auf der Post mag ich gar nicht nach Weimar schreiben, weil die Briefe gar zu lange ausbleiben.

Ich wünsche nun weiter nichts zu sagen. Erst wollte ich Herrn Fernow einiges an dich mitgeben; ich will es aber lieber selbst bringen. Ich befinde mich ganz leidlich, wenn ich von einem Tag zum andern mein Wesen treiben kann; aber zu irgend etwas außerordentlichem. Wo ich nicht ganz mein eigener Herr bin, mag ich mich nicht entschließen. Lebe recht wohl.

G.


Ein Stück Spitzen folgt doch.
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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6E36-E