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An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Jena d. 24. May 1816.

Von hier aus, wo ich mich schon vierzehn Tage befinde muß ich, freylich etwas zu spät, melden daß der Shawl glücklich angekommen ist und große Freude verursacht hat, denn er war gerade wie man sich ihn wünschte und träumte.

Nächstens bin ich vielleicht wieder so frey die Gewogenheit der lieben Freundin in Anspruch zu nehmen. Es sind gewisse Dinge, die wir hier im Mittellande, wir mögen uns stellen wie wir wollen, nicht habhaft werden können.

Indessen wünscht ich meine lieben Freunde des Tags wohl auf ein paar Stunden zu mir. Die Naturwissenschaften, die ich aus Neigung, Auftrag und Pflicht hier sorgfältig pflege, haben durch die grimmigen Kriegsjahre kaum gelitten und werden nun durch des Großherzogs Neigung, Einsicht und neuste große Reise-Erfahrungen höchlich gefördert. Die Beschäftigung hiermit würde mir noch mehr Vergnügen machen, wenn ich nicht fürchten müßte dadurch von meinen lieben Landsleuten dieses Jahr abgeschnitten zu werden. Die neue Gründung einer chemischen Anstalt fordert freylich alle Aufmerksamkeit, da man in dieser aufgeklärten Wissenschaft nur allzuschnell entdeckt, wer das Geschickte oder wer das [18] Ungeschickte thut, welches nicht in allen Fächern der Fall ist.

Wenn ich so in diesem ruhigen Saalthale, das uns zu dergleichen Betrachtungen, die von der Welt abgesondert sind indem sie die Welt enthalten, Raum und Gelegenheit giebt, an meine Freunde denke, die im städtischen und allgemeineren politischen Treiben ihre Tage zubringen, so wird es mir fast wie einem Abgeschiedenen zu Muthe; längst hätte ich Sie ersucht mir von der Lage oder von dem Schwanken unserer städtischen Verfassung einige Notiz zu geben, ich fühle aber wohl wie schwer es ist.

Mein verspätetes Heft wird nun auch anlangen, möge es gute Aufnahme finden.

Wenn Dlle Pauline Servière Ihnen 12 Carol. einhändigt, so nehmen Sie solche gefällig auf meine Rechnung. Mögen Sie mir sagen über wieviel ich in diesen Tagen allenfalls disponiren kann. Darf ich bitten mich Ihrer verehrten Frau Mutter zu empfehlen. Wird Bruder Christian nicht auch einmal wieder mit mir communiciren?

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Johann Friedrich Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6E77-B