27/7393.

An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Jena d. 24. May 1816.

Von hier aus, wo ich mich schon vierzehn Tage befinde muß ich, freylich etwas zu spät, melden daß der Shawl glücklich angekommen ist und große Freude verursacht hat, denn er war gerade wie man sich ihn wünschte und träumte.

Nächstens bin ich vielleicht wieder so frey die Gewogenheit der lieben Freundin in Anspruch zu nehmen. Es sind gewisse Dinge, die wir hier im Mittellande, wir mögen uns stellen wie wir wollen, nicht habhaft werden können.

Indessen wünscht ich meine lieben Freunde des Tags wohl auf ein paar Stunden zu mir. Die Naturwissenschaften, die ich aus Neigung, Auftrag und Pflicht hier sorgfältig pflege, haben durch die grimmigen Kriegsjahre kaum gelitten und werden nun durch des Großherzogs Neigung, Einsicht und neuste große Reise-Erfahrungen höchlich gefördert. Die Beschäftigung hiermit würde mir noch mehr Vergnügen machen, wenn ich nicht fürchten müßte dadurch von meinen lieben Landsleuten dieses Jahr abgeschnitten zu werden. Die neue Gründung einer chemischen Anstalt fordert freylich alle Aufmerksamkeit, da man in dieser aufgeklärten Wissenschaft nur allzuschnell entdeckt, wer das Geschickte oder wer das [18] Ungeschickte thut, welches nicht in allen Fächern der Fall ist.

Wenn ich so in diesem ruhigen Saalthale, das uns zu dergleichen Betrachtungen, die von der Welt abgesondert sind indem sie die Welt enthalten, Raum und Gelegenheit giebt, an meine Freunde denke, die im städtischen und allgemeineren politischen Treiben ihre Tage zubringen, so wird es mir fast wie einem Abgeschiedenen zu Muthe; längst hätte ich Sie ersucht mir von der Lage oder von dem Schwanken unserer städtischen Verfassung einige Notiz zu geben, ich fühle aber wohl wie schwer es ist.

Mein verspätetes Heft wird nun auch anlangen, möge es gute Aufnahme finden.

Wenn Dlle Pauline Servière Ihnen 12 Carol. einhändigt, so nehmen Sie solche gefällig auf meine Rechnung. Mögen Sie mir sagen über wieviel ich in diesen Tagen allenfalls disponiren kann. Darf ich bitten mich Ihrer verehrten Frau Mutter zu empfehlen. Wird Bruder Christian nicht auch einmal wieder mit mir communiciren?

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Johann Friedrich Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6E77-B