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An Christian Gottfried Körner

Für diesen freundlichen Zuruf, durch welchen Sie mit Ihre Theilnahme an meinem zweyten Bande versichern, sey Ihnen herzlichen Dank gesagt. Da ich sehr gern gestehe, es auch aus meinem Confessionen erhellen wird, daß ich alle meine früheren Arbeiten um mein selbst willen und für mich selbst unternommen, weshalb ich denn auch wegen mancher wohl zwölf und mehr Jahre geruhig abwarten konnte, bis sie Eingang fanden und einige Wirkung thaten, so will ich doch gern bekennen, daß es mit diesem letzten Werk sich anders verhält. Ich wünsche, daß meine Landsleute, besonders aber meine Freunde, die in höhern und mittlern Jahren sich befinden, daran Freuden haben und sich mit mir einer nicht längst vergangenen schönen Zeit fröhlich erinnern mögen. Der wackere Griesbach hat sich noch in seinen letzten Tagen an den Francofurtensien ergötzt; der mir unvergeßliche Salzmann ist um einige Monate zu früh gestorben, so daß ihn mein freundliches Andenken nicht mehr hat erreichen können. Er war zwey und [170] neunzig Jahre alt und hat bis in die letzten Stunden weder den Gebrauch der äußern noch den innern Sinne vermißt. Das hatte ich ihm wohl zugetraut!

Auch wir, mein Bester, haben gute Zeiten zusammen erlebt, und ich habe höchst Ursache, jener Epoche mit Liebe und Treue zu denken; wenn ich nur dazu gelange, sie darzustellen.

Ich danke Ihnen, daß Sie auch dieser Arbeit das Zeugniß eines musicalischen und poetischen Effects geben; doch wer könnte den mehr fühlen als Sie? Auch erwarten Sie mit Recht, daß sich sowohl die Darstellung als Reflexion steigere, ja ich muß mich in Acht nehmen, daß ich nicht zu früh fortgerissen werde. Ist es mir gelungen, den ersten Band kindlich genug zu verfassen, wie ich fast glauben muß, weil ihn die verständigen Leute kindisch genannt haben; sieht man im zweyten den Jüngling, der aus mancherley Leiden hervortritt, so muß sich dieser nach und nach als Mensch und Schriftsteller entwickeln. Resultate sind bald ausgesprochen und meist des Aussprechens nicht werth. Erhalten Sie mir, meinen ältern und neuesten Productionen in Ihrem Kreis ein freundliches Andenken.

Das kleine Lustspiel Ihres lieben Sohns, die Braut, ist vor einigen Tagen mit dem Beyfall gegeben worden. Ich war nicht gegenwärtig, sondern in Jena; allein ich wußte wohl den Effect voraus.

Unser Wolff, der schon im alten Klingsberg die[171] Maske eines Bejahrten ohne Carricatur mit viel Geschmack angezogen, spielte den Vater, Unzelmann den Sohn, und die Arie war gut gelungen. Nun hoff' ich, die beyden andern kleinen Stücke sollen auch das Ihrige thun.

Was den Zriny betrifft, über den sind wir noch nicht einig; in politischer und theatralischer Hinsicht ist manches dabey zu bedenken. Es wäre daher wünschenswerth, wenn man ein Exemplar hätte, wie das Stück in Wien gespielt worden. Die Arbeit ist alsdann halb gethan, und gewiß haben sie dort manches bedacht, was wir auch bedenken müssen.

Kommt Ihr lieber Sohn von Wien zurück, so haben Sie die Güte, mir davon Nachricht zu geben: denn da ich ihn nicht, wie ich wohl wünschte, bey mir einquartiren kann, so müßte man ihn dergestalt unterzubringen suchen, daß er ohne große Kosten und mit einigem Agrement hier wäre. In diesen wunderlichen Tagen sind einem auf mehr als eine Weise die Hände gebunden, und auf alles liberale Verfahren, das sonst so natürlich war, muß man Verzicht thun. Verzeihen Sie diese Äußerung; ich habe mir aber fest vorgenommen, bey allem, worinn ich Einfluß habe, nichts dem Zufall zu überlassen, damit er allenfalls hinterdrein seine Gunst ausüben könne.

Und nun leben Sie auf's schönste wohl und grüßen die lieben Ihrigen.

Goethe.

Weimar den 26. November 1812.
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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Christian Gottfried Körner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6EE1-E