19/5396.

An Christiane von Goethe

Deinen Brief vom 8. aus Lauchstädt erhalte ich heute am 14. Ich will gleich antworten und dieses Blatt mit der nächsten Post fortschicken, so erhältst du es noch zur rechten Zeit.

Es war mir sehr erfreulich, daß dich Herr Regierungsrath Voigt noch erreichte und dir das Schwänchen auf die Reise mitgeben konnte. Sey nicht zu karg mit dem Inhalt des Kästchen: denn ich bringe dir noch manches ähnliche mit. grüße die Elsermann, danke ihr für ihren Brief und sag ihr, sie soll an mich denken, wenn sie sich im Spiegel gesieht. Ich habe Mühe gehabt, einen so klaren hier zu finden, in den gewöhnlichen Kästchen sind sie meistentheils streifig.

Genieße deines Aufenthalts in Lauchstädt aufs beste. Auch habe ich nichts dagegen, wenn du auf einige Zeit nach Leipzig gehen willst. Was mich betrifft, so habe ich keine Lust hinzugehen. Ich wüßte mir keinen angenehmeren und bequemern Aufenthalt als Carlsbad und werde wohl noch eine Zeitlang hier bleiben. Was sonst Jena für mich war, soll künftig Carlsbad werden. Man kann hier in großer Gesellschaft und ganz allein seyn, wie man will, und alles, was mich interessirt und mir Freude macht, kann ich hier finden und treiben. Wohlfeil ist es [369] auch. die willkührlichen, außerordentlichen Ausgaben betragen das meiste.

Sehr schönes Glaswerk habe ich angeschafft, das eigentlich auch nicht theuer ist, womit du Tafel und Theetisch zum schönsten ausputzen kannst; und sonst ist auch noch allerley Geld vertändelt worden; für Sachen, womit ich aber doch dir und andern einige Freude zu machen hoffe.

Der Herzog ist noch hier und gedenkt, zu Ende der Woche abzugehen. Vielleicht kann ich durch Leute etwas nach Weimar bringen.

Mit meinem Befinden geht es sehr gut, besonders seit acht Tagen. Doctor Kapp von Leipzig und Dr. Mitterbacher von hier haben sich sehr viel Mühe gegeben, meine Umstände zu erforschen und, nachdem ich die eigentliche Brunnen Cur geendigt, mir eine Arzney verschrieben, die ganz wunderwürdige Wirkungen gethan hat. Ich befinde mich seit den letzten acht Tagen so wohl, als ich mich in Jahren nicht befunden habe. Wenn es dauerhaft ist, so wollen wir Carlsbad und die Ärzte loben. Indessen trinke ich noch alle Morgen von dem gelindesten Brunnen einige Becher mit Milch, wobey ich mich den ganzen Tag nach meiner Art beschäftigen kann. Carl macht seine Sache recht ordentlich und auch von dieser Seite sind wir besser dran als vorm Jahre. Um aller dieser Ursachen willen werde ich noch hier verweilen, weil ich nun erst anfange, recht zu Hause zu seyn.

[370] Du brauchst mir deshalb nicht wieder zu schreiben, bis du bestimmen kannst, wenn du wieder in Weimar seyn wirst. Dieses melde mir von Lauchstädt oder von Leipzig aus, weil von dorther die Briefe gar ordentlich ankommen. Ich schreibe dir alsdann gleich nach Weimar, damit du erfährst, wie es mit mir steht und was ich weiter vornehme.

Hier wird gezeichnet, gelesen, mineralogisirt und von Zeit zu Zeit eine Promenade gemacht. Das Wetter ist sehr schön, fast zu heiß. Gestern Abend hatten wir ein starkes Gewitter.

Unter die Menschen komme ich wenig; nur in sondern ich bey dem Herzog speise und von ihm in die Welt gezogen werde, sehe ich manchmal verschiedene Personen. In die Comödie komme ich auch nicht mehr. Nur die Wiener Stücke sind höchstens auszuhalten. Heute wird Fanchon gegeben; Madame Weyrauch macht das Leyermädchen und Spitzeder den Abbé.

Resident Reinhard mit seiner Familie geht morgen ab, über Dresden, und kommt wahrscheinlich in einiger Zeit nach Weimar. Sey freundlich gegen sie, wenn sie dich besuchen, und mache ihnen etwa Gelegenheit, Jemand zu sehen und kennen zu lernen. An ihm wirst du einen ernsthaften, seht verständigen und wohlwollenden Mann finden. In wie fern du zu ihr einiges Verhältniß haben kannst, wird sich geschwind zeigen. Sie ist eine gute Mutter und thätige Gattin, aber belesen, politisch und schreibselig; Eigen- [371] schaften, die du dir nicht anmaßest. Sie kennt Madame Schopenhauer und hofft, auch mit ihr in Weimar zusammen zu treffen. Mehr wüßte ich jetzt nicht zu sagen, als daß übrige Gesellschaft zu grüßen. Unserm berlinischen Kleeblatt gönne ich deine Ankunft in Lauchstädt. Aus den Relationen konnte ich schon merken, wie es eigentlich mit ihnen stand. Es ist eben auch eine Prüfung, durch die sie hindurch mußten. Da sich Madame Beck als Gast bey der Gesellschaft aufhält, so kannst du ja wohl einleiten, daß die Hagestolzen gegeben werden. Lebe übrigens recht wohl und in der Hoffnung eines Fröhlichen Wiedersehens.

Abgeschickt d. 1. Jul. 1807.

Goethe. [372]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6F0D-F