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An Carl Friedrich Zelter

Zuförderst muß ich versichern, daß mir die fortgesetzten Nachrichten aus eurer dramatisch-musikalischen Welt zu großem Vergnügen gereichen und meine Einsamkeit wirklich, in höherem Sinne, sonor machen. Daß meine Enkel von Zeit zu Zeit mir etwas vorklimpern, muß mir wohlgefallen; ich gönne ihnen herzlich, daß sie auf eine nicht ungeschickt praktische Weise in die höchst gesellige Region der Musikfreunde so zeitig eingeführt werden.

[185] Von Madame Mara habe ich einen eigenhändigen, sehr anmuthigen Brief; der Concipient verdient alles Lob, daß er das vieljährige, sich unsichtbar fortspinnende Verhältniß gar hübsch und deutlich eingesehen und klar ausgesprochen hat.

Das von der kleinen Facius modellirte Wappen rückt schon an meine Absichten ganz nah heran; es kommt, mit einiger Modification, zurück. Ein sehr geschickter, in dem Fache des Modellirens und Gießens wohlgeübter Künstler wird mir hiezu sein Talent leihen. Wie hieß doch das Motto, das ich einschrieb? Dergleichen verschwindet aus meinem Gedächtniß, und man muß mir meine eignen Träume vorerzählen.

Eine Stelle aus einem älteren Briefe, die mir bey'm Wiederlesen begegnete, war Veranlassung, die kleine Terz wieder in Anregung zu bringen; deine jetzige Erklärung hat mich völlig beruhigt, denn was in der Natur ist, muß doch einmal anerkannt in Begriff und That aufgenommen werden.

Dein Graun, der nur Worte haben will um zu musiciren, kommt mir vor wie jener mit seinem Thorzettel. Die guten Menschen ehren weder den Werth des Wortes, noch die grundkräftige Mannichfaltigkeit ihrer Kunst. Schlechte Gedanken, schlechte Verse können sie brauchen und vielleicht am liebsten, weil sie alsdann nach völliger Freyheit handeln können. Die Veranlassung, welche dem Musiker bedeutende [186] Worte, selbst im absurden Zusammenhang, verleihen, hast du trefflich ausgesprochen.

Ein Schweizer Theolog, der hier durch nach Berlin ging, war mir interessant wegen seiner reinen Naivetät, welche bey diesem guten Volke sich nicht immer klar erhält. Er ging aber so schnell bey mir vorüber, daß ich nicht einmal seinen Namen erfuhr. Theologen von St. Gallen sind nicht so viel in Berlin, daß er nicht auszuforschen wäre; dir will ich's nicht zumuthen, weil ich nicht so weiß, ob er Sinn für Musik hat. Unter deinen jungen Freunden und Schülern aber machst du vielleicht einen Verständigen aufmerksam. Verborgen kann er nicht bleiben, selbst in der Masse; er ist gar zu heiter-lebendig und auf rechtem Wege strebend; »wie mir schien!« muß ich sagen; denn ich habe ihn kaum eine Viertelstunde gesehn.

Der Vampyr ist hier wieder gegeben worden; das Sujet ist detestabel, aber nach dem, was man mir erzählt, das Stück als Oper sehr gut gehalten. Da haben wir's! bedeutende Situationen, in einer Folge, und der Musicus kann sich Beyfall erwerben. Worte, in verständiger empfindbarer Folge, gewähren ganz dasselbe, was du so oft an meinen Liedern bewiesen hast.

Empfohlen den besten Geistern

im Aether und auf Erden!

Weimar d. 24. Apr. 1831.

G. [187]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6F2C-9