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An Bettina Brentano

Carlsbad den 22. Juni 1808.

Ist es wahr, was die verliebten Poeten sagen, daß kein größeres Vergnügen sey, als das Geliebte zu schmücken; so haben Sie vortreffliche kleine Freundinn, das größte Verdienst um mich, indem Sie mir so oft Gelegenheit geben, irgend Jemand, dem ich wohl will, mit Ihren Gaben auszuputzen, die so mannigfaltig sind, daß ich wirklich nicht einmal weiß, ob ich Ihnen schon für die chinesischen Früchte gedankt habe, die beynahe in meinem Kreise zu Zankäpfeln geworden wären.

Ihren liebenswürdigen Dichter, dem, wie es mir[98] scheint, Zeichner und Kupferstecher an Form und Ausdruck manches Gute geborgt haben, mußte ich mit hierher nehmen, um recht wohl begleitet zu seyn. Es ist gewiß eine schöne edle Gestalt, und man mag sich den Mann gern so denken, dem man manchen Genuß schuldig ist.

Ihr freundlicher Brief hat mich hier bey Zeiten aufgesucht und mich freylich in eine andre Gegend und unter einen andern Himmel versetzt. Auch ich erinnere mich am Fuße des Johannisbergs schöne Tage gelebt und vortrefflichen Wein getrunken zu haben. Auch ich bin den Rhein hinuntergeschwommen in einem kleinen lecken Kahn, und so habe ich also ein doppeltes Recht an Ihr Andenken.

Vielleicht ist Arnim bey Ihnen, wenn dieser Brief anlangt. Danken Sie ihm für das Heft, das er mir geschickt hat. Ob ich gleich den Nifelheimischen Himmel nicht liebe, unter welchem sich der Einsiedler gefällt; so weiß ich doch recht gut, daß gewisse Climaten und Atmosphären nöthig sind, damit diese und jene Pflanze, die wir doch auch nicht entbehren mögen, zum Vorschein komme. So heilen wir uns durch Rennthiermoos, das an Orten wächst, wo wir nicht wohnen möchten; und um ein ehrsameres Gleichniß zu brauchen: so sind die Nebel von England nöthig um den schönen grünen Rasen hervorzubringen.

So haben auch mir gewisse Aufschößlinge dieser Flora recht wohl behagt. Wäre es dem Redacteur [99] jederzeit möglich dergestalt auszuwählen, daß die Tiefe niemals hohl, und die Fläche niemals würde; so ließe sich gegen ein Unternehmen nichts sagen, dem man in mehr als einem Sinne Glück zu wünschen hat. Grüßen Sie Arnim zum schönsten und entschuldigen mich, wenn ich nicht direct schreibe.

Wie lange werden Sie noch im Rheinlande verweilen? Was werden Sie zur Zeit der Weinlese vornehmen? Mich findet ein Brief wohl noch einige Monate hier, zwischen den alten Felsen neben den heißen Quellen, die mir auch dießmal sehr wohlthätig sind.

Meinem August geht es bis jetzt in Heidelberg ganz wohl. Meine Frau besucht in Lauchstädt Theater und Tanzsaal. Schon haben mich meine entfernte Freunde hier brieflich besucht; mit andern bin ich ganz unvermuthet persönlich zusammengekommen.

Da ich so lange gezaudert habe will ich dieses Blatt gleich fortschicken. Ich schlage es an meine Mutter ein. Lassen Sie mich bald von sich hören.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Bettina Brentano. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6F46-D