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An Sulpiz Boisserée

Ihr liebes Schreiben, mein Theuerster, erwidere sogleich, da ich eben, als es ankommt, in Begriff stehe mich mit Ihnen schriftlich zu unterhalten.

Ihro Königliche Hoheit der Großherzog haben Lust auf ein ganz colorirtes Exemplar zu unterzeichnen, daher wollte anfragen, wie hoch ein solches ohngefähr zu stehen käme? Alsdann füge aber noch eine Frage hinzu, wie eine solche völlige Colorirung gemeint sey? denn eigentlich ist Farbe nur bey wenigen Blättern erforderlich, bey andern, scheint mir, könnte sie störend [203] werden, wenn nicht die größte Sorgfalt angewendet wird. Der blaue Himmel müßte sich freylich zwischen den graubraunen Thurmspitzen gut ausnehmen. Wen haben Sie zu einer so kitzlichen Arbeit?

Des guten Stieglitz antiquarisch-architectonische Bemühungen besitz ich zwar, habe sie aber noch nicht ansehen dürfen, so wenig als ein Werk über'n Stephansthurm. Da ich Ihr Cölner Domwerk als dergestalt heilbringend ansehe, daß wir doch endlich erfahren, was man in dieser Art wollen kann und soll, so hab ich mir zugeschworen, diesem Original ausschließlich, allem abgeleiteten Guten und Schlechten aber auch nicht die mindeste Aufmerksamkeit zu gönnen; ich hoffe daher sehnlichst auf die ersten Schritte Ihres Erlösungs-Werkes.

Das die Ausführung meines Denkmals einigermaßen gestockt hat, ist mir angenehm, denn ich kann noch eine Haupt- und Präjudicial-Frage anbringen, die nämlich: ob man nicht besser thue, das mir zugedachte Denkmal mit der Bibliothek zu verbinden, die, wie man hört, so eben gegründet wird?

Die Sache kam bey uns zur Sprache, als ein Abdruck des Auf- und Grundrisses eintraf und man über die ungeheuren Vorkosten erschrak, die eine solche Moles erfordern würde.

Zurückhalten will ich nicht, daß ich, von Anfang her, dasselbe Bedenken trug und mir der abgelegene feuchte Ort keineswegs gefallen wollte; ich schwieg[204] aber, um in die gute Absicht keine Störung zu bringen. So viel sey kürzlich gesagt, die Argumente für und wider ergeben sich bey einiger nähern Betrachtung; ich deute daher nur an, was ich jedoch auf Verlangen sehr gerne ausführlich, wie es hier besprochen worden, mitzutheilen bereit bin. Verzeihen Sie! aber die Sache ist von großer einziger Wichtigkeit, und da ich noch erlebe, was nicht leicht jemand erlebt, so seh ich mich an als einen Theilnehmer, der seine Stimme gar wohl zu einer solchen Angelegenheit geben darf.

Indem ich dieses Blatt abzusenden im Begriff bin, so überdenk ich noch einmal, ob ich es thun soll, und finde, daß ich Ihnen und den alten Freunden diese Offenheit schuldig bin, da ich voraussehe, daß, sobald die Frankfurter Freunde mit ihrem Vorschlag auftreten, das, was ich hier melde, gewiß zur Sprache kommen wird. Wenigstens ist es gut auf Widerspruch vorbereitet zu seyn.

Beyliegendem Blatte wünschte einige Aufmerksamkeit, und die Münzen würden mir besonders angenehm seyn, wenn ich sie etwa im Laufe des nächsten Monats erhalten könnte.

Den Hausgenossen die schönsten Grüße.

treulichst

Weimar den 23. April 1821.

G. [205]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6F49-7