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An Johann Kaspar Lavater

Wenn ich ein Quartblat von dir sehe, ergözze ich mich iederzeit, Danck für deine beyden Briefe.

Über die Gemählde mögt ich wohl gegenwärtig mit dir sprechen wie über vieles! Warum sind wir so fern.

[121] Die Summe von 45 N.Ldr. soll dir abgeschrieben werden.

Dass dir meine Büste lieb war macht mir grose Freude um meinet- und des Künstlers Willen. DerHerzog schickt dir sie, wie auch den crayonirten Kopf, sag ihm etwas über beydes. Ja lieber Bruder du könntest mich schon von manchem fliegenden Fieber des Grimms reinigen, was könnte nicht die Liebe des Alls wenn es lieben kan wie wir lieben. In mir reinigt sich's unendlich und doch gesteh ich gerne Gott und Satan, Höll und Himmel, die du so schön bezeichnest, in mir Einem. Oder vielmehr, mein lieber, mögt ich das Element woraus des Menschen Seele gebildet ist, und worinn sie lebt, ein Feegfeuer nennen, worinn alle höllisch und himmlischen Kräffte durcheinander gehn und würcken.

Über Woldemars Kreuzerhöhungsgeschichte kan ich dir nichts sagen, das Facktum ist wahr, eigentlich ists eine verlegne und verjährte Albernheit die du am klügsten ignorirst. Wenn ich Papier und Zeit verderben mögte so könnt ich dir wohl das nähere sagen, es ist aber nicht der Mühe werth. Sehn wir uns wieder und es fällt dir ein, so frage. Da du mich kennst solltest du dir's in Ahndung erklären können. Der leichtsinnig trunckne Grimm, die muthwillige Herbigkeit, die das halb gute verfolgen, und besonders gegen den Geruch von Prätension wüthen, sind dir ia in mir zu wohl bekannt. Und die nicht [122] schonenden launigen Momente voriger Zeiten weist du auch.

Viel von diesem allen wird verschlungen in thätiger Liebe.

Vielleicht von den Erreurs de la Verite einandermal mehr.

Mögtest du mir auch von deinem innern etwas entdecken!

Tobler ist gar lieb, ich kan offen gegen ihn seyn. Knebel hat ihm Quartier gegeben. Es wird dir auch wohl thun durch ihn von uns zu hören. Er erinnert mich in Momenten recht lebhafft an dich, besonders wenn er munter und scherzhafft wird.

Ists wahr was ich in den Zeitungen lese, daß der Abbt Raynal den drey ersten Eidgenossen auf der Imgrütlings Wiese ein Monument will aufrichten lassen? Der 30 Fus hohe Obelisk wird sich armseelig zwischen der ungeheuren Natur ausnehmen. Was sich der Mensch mit seiner Nadelspizze von Marmor einbildet. Ich hoffe es soll nicht zu Stande kommen. Ihr Monument ist eure Constitution.

Adieu liebster der Menschen. Spreche manchmal einen Seegen auf meine Büste, daß ich auch das geniese. Grüse Bäben. Schreibe mir viel, und stiehl dir eine viertelstunde für mich. Ich heise Legion, du thust Vielen wohl wenn du mir wohlthust.

den 7. May.

G. [123]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Johann Kaspar Lavater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6F6C-A