26/7272.
An Thomas Johann Seebeck
[21. Januar 1816.]
Ew. Wohlgeb.
beyde belehrende Briefe habe bey rechter Zeit zu meinem größten Vergnügen erhalten. Ich überzeuge mich immer mehr, daß die von Ihnen entdeckten und so sorgsam verfolgten entoptischen Farben den prismatischen Erscheinungen zum Grunde liegen und daß wir diesen wunderlichen und geheimnißvollen Gespenstern von dieser Seite endlich beykommen werden. Lassen Sie mich ja von Ihren Fortschritten jederzeit erfahren. Ich will suchen einen von meinen Doppelspäthen nach Ihrer Angabe schleifen zu lassen, denn ich bin gar neugierig das Phänomen selbst zu sehen.
[227] Dürfte ich mich nach einer Weise darüber ausdrücken so würde ich Folgendes sagen: Es ist eine Art von physisch-chemischer Belebung, welche in jenen Körpern entsteht, in dem Stein bey seiner Crystallisirung; im Glase, Gummi u.s.w. bey Erwärmung, Erkältung, Halberstarrung und wie bey andern Körpern diese Bedingungen heißen mögen, und so erscheint mir das Phänomen als ein allgemeines überall verborgen liegendes, unter gewissen Umständen hervortretendes, wie denn bey den prismatischen Versuchen ein reines lichtes Bild die Erscheinung an die dunklen Ränder drängt. In dem prismatischen Bilde sehe ich Ihre epoptischen Pfauenaugen nur auf eine andere Weise manifestirt, und ich gehe im Stillen damit um, meine Abtheilung von physischen Farben nächstens umzuschreiben und wenn es auch nur zu unserer Unterhaltung wäre.
Wäre die Natur nicht so consequent liebenswürdig, gäbe es nicht Freunde, die sich redlich zu ihr halten, nicht treue Bekenner, welche zusammenstehen, so würde man gewiß einmal, von bösem Humor ergriffen, alle Vorarbeiten in's Feuer werfen, die Sache aufgeben und sich sonst einen guten Tag machen.
[228]