8/2619.

An Jakob Friedrich von Fritsch

Hochwohlgebohrner Freyherr
insonders hochgeehrtester
Herr Geheimderath,

Ew. Exzell. erhalten aus Rom einen Brief von mir, zu einer Zeit wo ich schon lange über die Alpen zurück zu seyn und in dem alten gewohnten Gleise meines Lebens fortzugehen hoffte, Sie empfangen einen späteren Danck für Ihr gütiges Schreiben, begleitet mit der Bitte mir Ihre Gewogenheit ferner hin zu gönnen.

Als ich aus Sicilien zurückkam, äusserten mir unser gnädigster Herr solche Gesinnungen, die ich nicht anders als danckbar verehren konnte und es haben Höchstdieselben nun solche Anstalten gemacht, wodurch die kleine Lücke, welche durch meine Abwesenheit fühlbar werden konnte, für völlig ausgefüllt geachtet werden kann.

Ich hoffe deßwegen, auch mit Ew. Exzell. Billigung, den nächsten Winter noch in Italien zuzubringen und denjenigen Unterricht der sich einem [285] Fremden von allen Seiten anbietet ferner zu genießen. Es ist gewiß daß für jede Art des Nachdenckens und Studirens Rom, wenigstens auf eine Zeitlang, der Ort ist; und wenn man auch einen allgemein unterrichtenden Umgang, einen lebhafteren Curs der Litteratur vermissen möchte; so wird man auf der andern Seite durch Kunst und Natur auf das reichlichste schadlos gehalten. Angenehm ist es dabey daß sich mehrere Fremde hier befinden die in verschiednen Richtungen nach demselben Ziele gehn. Antiquitäten, Geschichte, die Litteratur der verschiednen Künste, Numismatick pp werden von einzelnen Personen mit Fleiß betrieben, in deren Umgang man, ohne es selbst zu bemercken, lernt und so wird Rom für einen der sich appliciren will eine wahre hohe Schule; dagegen es andern Fremden gar bald traurig und todt vorkommen muß, deßwegen auch die meisten schnell nach Neapel, dem Orte des Lebens und der Bewegung, eilen.

Nach den beyden sehr, ja beynahe unerträglich, heißen Sommermonaten, eilte ich aufs Land und habe auf den Hügeln von Fraskati, Castello, Albano schöne Tage des Septembers und Oktobers genoßen. Die alte Liebhaberey, Landschaften zu zeichnen, hat sich mit ihrer ganzen Lebhaftigkeit wieder eingestellt und ich bitte mir die Erlaubniß aus einige dieser Gegenden, von meiner Hand schwach nachgeahmt, dereinst Ew. Exzell. Zimmer stiften zu dürfen.

[286] Um den römischen Staat, ich muß es, wenn es Schande ist, zu meiner Schande gestehen, habe ich mich noch wenig bekümmert. Es ist ein betrübter Anblick um eine schlimme Administration, besonders wenn die Übel so eingewurzelt, so mit der Staatsverfassung verwebt sind, daß auch eine Folge der besten Regenten und Minister, sie zu heben ohnmächtig wären. Indessen geht alles seinen Gang, der Papst bereichert seine Nipoten, richtet Obelisken auf und theilt Segen aus so viel man verlangt.

Der Raum heißt mich schließen. Ich bitte mich der Frau Gemahlinn bestens zu empfehlen und Ihre Freundschaft, Ihre Gewogenheit zu erhalten

Ew. Exzell.

ganz gehorsamstem

Rom d. 27. Oktbr.

Diener

1787.

Goethe. [287]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Jakob Friedrich von Fritsch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7011-D