2/114.

An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 15. December 1772]

Gestern Abend lieber Kestner unterhielt ich mich eine Stunde mit Lotten und euch in der Dämmerung darüber wards Nacht, ich wollte zur tühr hinaustappen, und kam einen Schritt zu weit rechts, tappte Papier – es war Lottens Silhouette, es war doch eine angenehme Empfindung; ich gab ihr den besten Abend und ging.

Eben fiel mir's auch ein sie soll mir das Meubel nun schicken, lieber Kestner sorgt mir dafür dass sies euch giebt, und packt mirs wohl in eine Schachtel, und lasst sie ein Papiergen schneiden, wie gros er seyn soll, lasst ihr keine Ruhe ich schreibe euch keine Sylbe biss ich den Kamm habe. Denn wir sind arme sinnliche Menschen, ich möchte gern wieder was für sie, was von ihr in Händen haben, ein sinnliches Zeichen wodurch die geistlichunsichtbaare Gnadengüter pp. wies im Cathechismus klingt.

[45] Euer Brief macht mir viel Freude, lieber Kestner schick mir eine Silhouette im grosen von Lenchen, ich habe sie recht lieb. Verderbt mir das Mädgen nicht. Seit ich von Darmstadt wieder hier binn, binn ich ziemlichen Humors, und arbeite brav. Abenteuerlich wie immer, und mag herauskommen was kann. NB. mit Ende dieses Jahrs hören wir samt und sonders auf die Zeitung zu schrieben, dann wird's ein recht honettes Stück Arbeit geben. Macht das bekannt soweit eure Leute an uns teil nehmen.

Dass Lotte Jemand lieber hat als mich ausser euch, das sagt ihr könnte mir einerley seyn, der zweyte oder der zwanzigste ist eins. Der erste hat immer 99 Theil vom ganzen, und ob dann einer das hundertste Teil allein hat oder mit zwanzig Teilt ist ziemlich eins, und dass ich sie so lieb habe ist von ieher uneigennützig gewesen.

Grüst mir Carolinen recht viel.

Klinckern hab ich nicht gesehen, aber viel mehr guts davon gehört als der Frankfurter Rezensent davon sagt. Eure Briefe kommen nicht in fall verbrennt zu werden. Ich habe schon dran gedacht. Aber zurück kriegt ihr sie auch nicht. Wenn ich sterbe will ich sie euch vermachen.

Wenn Lotte eine recht gute Stunde hat grüsst sie von mir, der ich euch von Herzen liebe.

Goethe.

Das Exemplar von der Lettre sur l'homme kostet 30 kr.
[46]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1772. An Johann Christian Kestner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7018-0