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An Carl Ludwig von Knebel

Da ich bey mir einigermaßen Ordnung mache, so finde ich den Kästner, der dein gehört, und den Gautieri, den ich dem D. Voigt zu übergeben bitte. Es liegt auch ein Papier drin, das er zu seinen Acten nehmen wird. Ich freue mich auf diesen jungen Mann, wenn er nur erst sein neues Quartier wird bezogen und sich in seine neuen Verhältnisse eingerichtet haben. In seinem letzten Brief detaillirt er mir, wie er mit Anwendung der metamorphosischen Ideen vorwärts geht, und ich gestehe, es gelingt ihm recht gut. Wenn er noch ein paar Puncte überwindet, so bleibt nichts weiter zu erinnern. Bey unsrer nächsten Zusammenkunft will ich ihm drüber hinaushelfen, wenn er nicht indeß, wie mir sehr wahrscheinlich ist, darüber hinwegkommt.

Der zweyte polemische Theil meines chromatischen Werks wächst auch zusehends. Es ist aber immer eine schreckliche Arbeit. Wenn sie fertig ist, wird [274] man kaum glauben, daß man sie gemacht hat. Aus dem gröbsten bin ich durch; aber nun muß das alles noch einmal erst bedacht, redigirt, vieles nochmals durchexperimentirt und manches umgeschrieben werden. Indessen, wenn nur jeden Tag etwas geschieht, so sammelt sichs doch zuletzt, und ich treibe diese Arbeit mit desto mehr Lust, weil ich nach ihrer Beendigung an den historischen Theil der Farbenlehre gelange, den ich als ein Symbol der Geschichte aller Wissenschaften behandeln kann. Dabey kann ich denn freylich kaum an einen Termin denken, wann das alles fertig seyn soll. Doch das hat nichts zu sagen. Wir leben ohnehin mehr, als man glauben sollte, außer der Zeit.

Gestern besuchte mich Herr v. Dohm, der von Warschau kam; und obgleich das, worüber man sprach, sehr unerfreulich war, so erquickte man sich doch, einen so tüchtigen, standhaften und unter allem Wechsel seinem Geschäft treu bleibenden Mann zu sehen. Solche Stärkungen werden denn doch von Zeit zu Zeit Bedürfniß.

Die Vorstellung vom Tasso hat einen sehr guten Eindruck gemacht, einen bessern als ich erwarten konnte. Vielleicht haben dir die Frauenzimmer davon geschrieben. Übrigens ist noch mancherley interessantes angelangt, das ich dir wohl einmal zu zeigen wünschte; z. E. eine unzweifelhafte Cellinische Medaille, die freylich etwas durch Übergoldung an Schärfe verloren [275] hat, doch aber seine Kunst und Art noch recht gut erkennen läßt.

Laß mich bald wieder von dir vernehmen und sey mit den Deinigen von mir und den Meinigen aufs beste gegrüßt.

Weimar den 25. Februar 1807.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7021-9