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An Johann Heinrich Merck

Mein altes Evangelium
Bring ich dir hier schon wieder
Doch mir ists wohl um mich herum
Darum schreib ich dir's nieder.
Ich hohlte Gold ich hohlte Wein
Stellt alles da zusammen
Da dacht ich da wird Wärme seyn.
Geht mein Gemäld in Flammen.
[211] Auch thät ich bey den Schäzzen hier
Viel Glut und Reichtuhm schwärmen
Doch Menschenfleisch geht allem für
Um sich daran zu wärmen.
O dass die innre Schöpfungskrafft
Durch meinen Sinn erschölle
Daß eine Bildung voller Safft
Aus meinen Fingern quölle.
Ich zittre nur ich stottre nur
Ich kann es doch nicht lassen
Ich fühl ich kenne dich Natur
Und so muß ich dich fassen.
Wenn ich bedenck wie manches Jahr
Sich schon mein Sinn erschliesset,
Wie er wo dürre Haide war
Nun Freudenquell geniesset
Da ahnd ich ganz Natur nach dir
Dich frey und lieb zu fühlen
Ein lustger Springbrunnen wirst du mir
Aus tausend Röhren spielen
Wirst alle meine Kräffte mir
In meinem Sinn erheitern
Und dieses enge daseyn hier
Zur Ewigkeit erweitern
Frankfurt, 5. Dez. 1774.

G. [212]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1774. An Johann Heinrich Merck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7057-2