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An Friedrich Schiller

Es mag mir etwas von Ihrer Meynung vorgeschwebt haben, indem ich, ehe ich den kleinen Aufsatz abschickte, bey mir zu Rathe ging, ob ich ihn nicht mutatis mutandis zur Litteraturzeitung geben, oder die Materie vor die Propyläen aufheben sollte. Indessen mag er zu jenem Pikenick hingehen das doch nicht auf eine Consequenz der Schüsseln berechnet ist.

Boufflers hat mir auch, wie Ihnen, und in eben demselben Sinne, recht wohl gefallen; dagegen haben die Franzosen und Vornehmen, so viel ich hier vernehmen konnte, nicht zum besten davon sentirt, da es doch eigentlich für sie geschrieben ist. Auf welches Publikum soll denn der Schriftsteller rechnen und zählen?

[345] Kants Anthropologie ist mir ein sehr werthes Buch und wird es künftig noch mehr seyn, wenn ich es in geringern Dosen wiederholt genieße, denn im ganzen wie es da steht ist es nicht erquicklich. Von diesem Gesichtspuncte aus sieht sich der Mensch immer im pathologischen Zustande und da man, wie der alte Herr selbst versichert, vor dem 60. Jahr nicht vernünftig werden kann, so ist es ein schlechter Spaß sich die übrige Zeit seines Lebens für einen Narren zu erklären. Doch wird, wenn man zu guter Stunde ein paar Seiten drinne liest, die geistreiche Behandlung immer reizend seyn. Übrigens ist mir alles verhaßt was mich blos belehrt, ohne meine Thätigkeit zu vermehren oder unmittelbar zu beleben.

Meinen Zustand in diesen Tagen kann ich auch nicht rühmen. Zu einer solchen Zeit sollte man eigentlich in einer großen Stadt seyn, wo man von außen gereizt würde und sich selbst vergäße.

Mechanische Arbeiten gehen nicht vom Flecke und geistige gelingen nicht. Schon diesem Briefe merke ich an daß ich meine Gedanken nicht wie sonst beysammen habe.

Wegen Wallenstein soll bey den Frankfurtern angefragt werden.

Unsere theatralische Mutter wird in der ersten Hälfte des künftigen Monats erwartet.

Leben Sie recht wohl bis auf bessere Tage, ich will noch sehen mich von manchem einzelnen zu befreyen, [346] damit man nach dem neuen Jahre an irgend etwas ganzes gehen kann.

Weimar d. 19. Dec. 1798.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7060-C