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An Amalie von Levetzow

[30. November 1826.]

Die, schon heute vor einem Jahr, mir gnädigst zugedachte so ehrenvolle Medaille hat sich in der Zeit zu einem bedeutenden Kunstwerk gesteigert und gibt mir den schönsten Anlaß meine theuern geprüften Freunde auf's treulichste zu grüßen und mich ihrem ferneren Wohlwollen angelegentlichst zu empfehlen.

Und so nehmen Sie denn auch, theuerste Freundin, zu meinem Gedächtniß einige Exemplare, die ich in der Hoffnung sende, daß in Ihrem lieben Kreise noch die herzlichen Gesinnungen obwalten, die bey mir unverändert lebendig geblieben sind. Schon vom siebenten November vorigen Jahrs ist die Medaille datirt; die verzögerte Ausprägung derselben aber ist eigentlich Schuld meines längeren Schweigens, da ich sie zu übersenden von Monat zu Monat hoffen konnte.

Sehe ich jedoch über diese lange Pause zurück, so kann ich von der vergangenen Zeit nicht viel Gutes rühmen. Der Tod des russischen Kaisers zerstörte die Geselligkeit des hohen Familienkreises, der Einfluß dieses Unfalls in seinen Folgen verbreitete sich leider über die nächsten Verhältnisse und so fortan, daß theils mitgetheilte Trauer, theils verhinderte Freude jedermann in Mißbehagen und Unmuth versetzte;[243] woraus wir uns nur erst wieder nach und nach erholen konnten.

Zu Anfang des Frühjahrs ward ich persönlich und in meinen häuslichen Umgebungen verletzt; meine gute und artige Schwiegertochter stürzte vom Pferde, gerade da ich zu eigener Aufheiterung ihrer am meisten bedurfte, und so hielten wir uns den Sommer über zwar in guter Fassung, auch ununterbrochener Thätigkeit, aber doch ohne eigentliches Behagen und sind nun froh eine solche Prüfung überstanden zu haben. Auch mag ich jetzt nur sprechen von dem, was vorüber ist, Ihre freundliche Theilnahme an dem Vergangenen, so wie ein liebevolles Andenken für die Zukunft erbittend.

Lassen Sie mich nunmehr wissen, daß es Ihnen diese Zeit her besser als dem Freund ergangen, sagen Sie mir von den guten und lieben Töchtern das Beste und Schönste, inwiefern Sie noch beysammen sind, oder inwiefern eine früher angedeutete Aussicht Sie getrennt hat. Von Marienbad und Carlsbad her hatte ich durch weimarische Freunde gute Nachricht, so wie ich nicht vergessen darf, daß die Fasanen zur rechten Zeit und in vollkommen genießbarem Zustande angelangt sind. Empfehlen Sie mich allseits und gedenken mein zur guten Stunde.

Verzeihung der fremden Hand! die meine wollte diesmal nicht recht fördern.

treu anhänglich

Weimar d. 7. Nov. 1826.

J. W. v. Goethe. [244]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Amalie von Levetzow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-70C8-2