41/78.
An Georg Friedrich Benecke
Ew. Wohlgeboren
gefällige Sendungen waren immer von Wichtigkeit; die letzte ist überraschend und so ehrenvoll als betrübend. Mir gibt es ganz eigene Gedanken, daß der unbegreifliche Mann mich gerade auf den Sardanapal besonders anwies, da ich diesem Stück von jeher vor andern günstig gewesen. Der königliche Leichtsinn, die Anmuth des griechischen Mädchens, die ganz eigene wundersame Verbindung zwischen den zwey Personen verscheuchen alle hypochondrischen Gespenster, womit der treffliche Dichter seine Freunde zu ängstigen pflegt, sie erscheinen nur hier und da gleichsam aus den Winkeln hervortretend.
Doch ich muß mich hüten von den Vorzügen dieses Stücks zu sprechen; man erschöpft eine solche Production niemals durch Nachdenken, bey'm jedesmaligen Lesen ist sie wieder neu.
So ging es mir auch dießmal. Lebhaft aber regte sich der Wunsch, dem Dichter dagegen etwas Freundliches erwidert zu haben; nun ist er nicht zu erfüllen, und man kommt in Gefahr sich abzuquälen über die Frage: wie dieses, von seiner eigenen Hand bezeichnete Exemplar so lange vorenthalten werden konnte, wie die mir erwiesene Freundlichkeit so lang ein Geheimniß blieb, ja durch die Zuschrift von Werner[98] noch mehr verdeckt und aller Nachforschung entzogen wurde.
Bin ich nun Ew. Wohlgeboren diese ganz unerwartete Entdeckung schuldig, verdank ich Ihnen ein Zeugniß, das mir besonders in diesen Tagen ganz unschätzbar seyn mußte, so werden Sie überzeugt seyn, daß ich diese günstige Einwirkung auf mich und meine Zustände nach ihrem ganzen Werth anzuerkennen weiß.
Kann ich noch erleben, daß jenes intentionirte Monument wirklich zu Stande kommt, so wird es eine ganz eigene Klarheit über meine Tage verbreiten.
Ich bin gewiß, daß Ew. Wohlgeboren das Nähere, sobald es zu Ihrer Kenntniß kommt, mir geneigtest mittheilen und die Hand bieten werden, daß ich ungesäumt meine theilnehmende Pflicht erfülle.
In vorzüglichster Hochachtung
Ew. Wohlgeboren
ergebenster Diener
J. W. v. Goethe.