6/1792.

An Charlotte von Stein

Blanckenburg d. 11. Sept. 83.

Ohngeachtet meiner Müdigkeit muß ich dir heute Abend schreiben, denn gewiß heute waren alle deine Wünsche bey mir. Der erste schöne Tag seit der ganzen Reise! So lang ich bey der schönen Frau war hast du immer Sturm und leidig Wetter gemacht, und dafür meine Wallfahrt nach dem Rostrapp geseegnet. Es war ein köstlicher Tag. Und nachdem ich mich oben umgesehen hatte, stiegen wir in's Thal herunter, wo ich dich huntertmal hingewünscht habe als ich mit Fritzen auf einem grosen in den Fluß gestürzten Granitstück zu Mittage as. Du glaubst nicht wie artig er ist, wieviel Delikatesse er gegen mich zeigt. Ich habe nur einigemal nötig gehabt mit ihm ernstlich über kleine Unarten zu sprechen, du solltest sehn welch eine reine Würkung es gethan. Ich bin auch einzig glücklich in dir und ihm, alles andre kann ich mir nicht zueignen. Man begegnet mir überall auf das artigste, ich habe, und zeige auch [196] gute Laune, rede viel und habe doch noch kaum einen offnen ganz aufrichtigen Augenblick gehabt. Laß uns ia nie, auch nur vorübergehend verkennen was wir einander sind.


d. 13ten früh. Langenstein.

Wir haben gestern noch einen sehr schönen Tag gehabt um nach der Baumannshöle zu fahren, die Marmorbrüche und Mühle im Rübenlande zu besehen. Heute Abend geh ich nach Halberstadt wo die Herzoginn Morgen durchgeht, ich will dieses Blat deiner Schwägerinn mitgeben, meinen ersten Brief von hier aus wirst du erhalten haben.

Wie sehnlich habe ich dich an manchen Stellen zu mir gewünscht sie sind auserordentlich schön, und würden durch deine Theilnehmung himmlisch geworden seyn, um mich hier am rechten Platze des Ausdrucks Fritzgen Voß zu bedienen.

Fritz ist sehr glücklich und bildet sich zusehends. Er macht mir viel Freude und gewiß auch dir wenn er wiederkommt.

Ich bin sehr neugierig den Herzog zu sehen, und lasse mich es nicht mercken. Lebe wohl. Ich schreibe dir Morgen noch ein Wort dazu.


d. 14. früh Halberstadt.

Heute kommt die Herzoginn hier an und die ganze fürstliche Familie wird sie begleiten, ich werde sie alle sehen, und sie werden mir eine sehr willkommene [197] Erscheinung seyn. Vielleicht kann ich heute Abend noch ein Wort dazu schreiben. Morgen wird sich's entscheiden ob ich gleich auf Zellerfeld gehe oder ob ich vorher den Herrn v. Veltheim in Harpke das bey Helmstedt liegt besuche dann will ich auf Göttingen. Adressire mir doch ia dahin einen langen Brief, und laß Götzen sagen daß er alles was mit der Reichspost Freytags den 19ten abgehen kann nach Göttingen bey Magister Grellmann abzugeben unter meiner Adresse schickt. Es verstehn sich Briefe, Packete lässt er liegen, und schreibt nur dazu ob etwas vorgefallen. Sage es doch dem Herzog vielleicht hat er etwas mit zu schicken. Lebe tausendmal wohl meine Hoffnung und Freude. Grüse Stein, die kleine Frau und die Waldner. Empfiel mich der Herzoginn. Lebe wohl.


Abends.

Die Herrschafften sind alle, ausser der regierenden Herzoginn, vergnügt und wohl angekommen, ich habe den ganzen Tag in ihrer Nähe zugebracht. Davon mündlich. Lotte meine Lotte du bist mir alles. Was Fritz gut und verständig ist kann ich dir nicht ausdrücken. Hier ein Brief von ihm er hat einen gar artigen an Carl geschrieben.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1783. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7141-A