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An Carl Friedrich Zelter

Weimar den 1. Februar 1831.

Es ist sehr artig, daß uns dergleichen noch zu berichtigen erlaubt ist; ich erkenne aber auch diese Gunst der Dämonen und respectire die Winke dieser unerklärlichen Wesen.

Die Anfrage wegen der Congreß-Medaille ist sogleich geschehen, doch ohne glücklichen Erfolg, wie ich voraussah. Sie hatte zu jener Zeit wenig Glück, und nur in der Folge wurde sie durch Schriftsteller und Sammler merkwürdig. Wer schätzt denn auch den Augenblick und dessen Productionen. Indessen sind die Stempel verrostet und nicht wieder herzustellen. Mein Sohn besaß noch eine silberne, die er unserem alten Herrn vor soviel Jahren abtrat, als dieser mit[103] Ernst und Heftigket für einen hohen ebenbürtigen Sammler ein Exemplar aufsuchen ließ. Ich weiß nicht einmal, ob wir die broncene besitzen.

Ich rede hier von der einen Hauptmedaille; die andere erinnere ich mich nicht. Heute vernehm ich folgende Erwiderung: »Die Stempel sind, da in früherer zeit wenig Nachfrage nach den Medaillen geschah, zu andern Stempeln verbraucht worden. Von den Medaillen selbst ist keine mehr vorräthig, so daß Facius vor zwey Jahren bereits die letzte an einen englischen Reisenden für hohen Preis verkauft hat. Leid thut es Facius, daß er die Stempel vernichtet hat, da in der letzten Zeit und besonders im vergangen Jahr, starke Nachfragen von England, Frankreich und Deutschland darnach geschehen. Auch getraut er sich hier am Orte keine mehr auftreiben zu können.«

Sic transit gloria mundi. Wäre dieß ein Gedicht gewesen zu Ehren jener Monarchen, so fände sich's wohl noch in irgend einem Tagesblatte. Horaz hat also recht: wer dauern will, muß sich mit den Poeten halten.

Nunmehr aber versäume nicht, die Briefe vom vergangenen Jahre 1830 baldigst einzusenden, damit auch sie in die Reihe der Foliobände aufgenommen werden. Alsdann ist mir noch eine Vorsicht beygegangen. Deine Reise-Relationen machen höchst lichte Stellen in der Correspondenz. Du hast Abschriften davon; die halte ja fest und geheim und sorge, daß[104] weder jetzt, noch künftig Abschriften genommen werden. Die Druckerleute sind um desto geföhrlicher, da sie für ehrliche, ja generose Leute wollen gehalten seyn und überall Recht haben wollen, weil kein Gesetz in dieser Anarchie obwaltet.

Nun wirst du aber, mein Theuerster, vor dem hohen Barometerstande noch mehr Respect empfinden. Wenn du schon lange anerkennst, daß die höchste und zugleich schönste organische Kraftäußerung, welche Gott und der Natur hervorzubringen möglich war, die menschliche Singstimme, dem hohen Barometerstande ihre höchste Kraft und Lebensäußerung verdankt, so magst du dich freuen, daß er unter obwaltenden Umständen vermochte, mit den herrlichsten Farben die Atmosphäre leuchtend zu schmücken. Sprich davon nicht weiter, denn man würde dir erwidern: gerade das Nordlicht habe dem Barometer diesen hohen Stand gegeben. Man liebt Ursache und Wirkung zu verwechseln.

Je länger ich lebe, je mehr freue ich mich meiner lichten Ketzerey, da die herrschende Kirche der dunklen Kammer, des kleinen Löchleins und in der neuern Zeit der kleinen Löchlein zu hunderten bedarf, um das Offenbarste zu verheimlichen und das Planste zu verwirren.

Eckermann, der als wahrhafter Ali durchgedrungen ist von dem hohen Begriff, daß Licht und Dunkel im Trüben die Farben hervorbringen, hat mir eine kleine[105] Büste Napoleons von Opalglas mitgebracht, die allein eine Reise um die Welt werth ist. Sie steht der aufgehenden Sonne entgegen: bey'm ersten Strahl derselben erklingt sie von allen, die sämmtlichen Edelsteine – – Fortsetzung nächstens. Und so fortan!

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7149-9