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An Charlotte von Stein

[Weimar, 25. Juni – 9. Juli 1776.]

d. 25. Nachts. sagt ich's nicht! kaum sind Sie weg, schon so ein Tag, ein unendlich verwickelter Tag, dass ich kaum schreiben, und eigentlich gar nichts schreiben kann. Was sich nur sagen liesse – Kaum sagen liesse. – – Gute Nacht Beste.

d. 27. Jun. Nachts. Ich schlafe beym Herzog und eh ich mich auf's Canapee streiche nur ein Wort Dancks für die Zeichnung! Sie ist ganz herrlich, ganz wahr, und deine ganze Seele in der Wahrheit, das Gefühl des Friedens der mit dir geht an den Bauer Schwellen. Liebe, allen Danck und gute Nacht.

d. 28. Morgends! schon in Fränzgen und schwarzem Rock, erwartend, des Conseils erhabene Sizzung. liebe Frau und dann bey Tisch. Die Zeichnung freut mich! – Weil ich ganz überzeugt bin Sie werden in kurzem Ihrem Gefühl zu Danck und Liebe fürtragen können. Ich zeichne iezt leider nichts, doch wird hoff ich etwas fertig für Sie.


[82]

Guten morgen liebe Frau, alle Geister der Berge, der Schlösser, der Morgen und Abenddämmerung seyen Ihre begleiter. Dencken Sie an mich; Ich treibe mich ietz mit Göthen ins Conseil. Wan Sie in Pirmont ist liebe Frau, so trincke Sie ja wenn der Morgen hübsch ist das erste glas auf Göthens, und meine Gesundheit.

C. A.

Als ich für dich zeichnete an der Ilm. d. 29. Jun. 76. Zwischen Mittag und 1.

Hier bildend nach der reinen stillen
Natur, ist ach mein Herz der alten Schmerzen voll
Leb ich doch stets um derentwillen
Um derentwillen ich nicht leben soll.

Sonst hab ich noch allerley Ihnen geschrieben. Der Herzog nahm mir neulich was weg und wollt was drunter schreiben. Es war danck für Ihre herzliche Zeichnung. Brauch ich zu sagen dass ich Sie vermisse. – Es ist Prüfung dass Sie weg sind. Engel ade. d. 2. Juli 76.

d. 2. Juli. Es ist und bleibt Gegenwart alles! – Was hilft mich's dass Sie in der Welt sind, dass Sie an mich dencken. Sie fehlen mir an allen Ecken, ich schleiche meinen Tag herum und es ist mir eben weh bey der Sache. Mit Wielanden hab ich göttlich reine Stunden. das tröstet mich viel. Ihre Schwester ist gut, sie kommt wohl einmal vor meinem Garten vorbey und guckt ob ich drinn bin. Hinein ist sie [83] noch nicht kommen. Ich hab ihr Rosen geschickt und hab sie lieb. Dass Sie für mich zeichnen macht mir Hoffnung. der kleine ruhige Land Blick hat mir gar wohl am Herzen gethan. – Sie werden noch herrlich zeichnen lernen. Nur immer das Datum an ein Ecken ganz klein. Addio.

Nachts halb eilf. der Mondschein war so göttlich ich lief noch ins Wasser. Auf der Wiese und Mond. Gute Nacht.

In deinem Zimmer schreib ich das. Habe mit den Grasaffen gessen. Hudan und der kleine Lauf haben sich im Bassin gebadt und allerley Possen gemacht – hier siz ich auf deinem Canapee. Adieu Engel –

5. Jul.

Wielands Garten auch am 5. Jul. ich komm von deinem Zimmer. Noch ein Wort. Ich hab deine Briefe bestellt. Grüs Zimmermannen, sag ihm ich hab ihn nicht verkannt aber ich hab einen Pick auf all meine Freunde die mich mit Schreiben von dem was man über mich sagte wider ihren Willen plagten. Du kennst meine Lage am besten, also sag ihm was dir's Herz sagt. Sag ihm er solls für sich behalten, soll mich lieb behalten. Addio beste. Gestern hatt ich mit Louisen einen lieben Augenblick. Leb wohl denck mein wie sonst. Zeichne mir was.

[84] Mir ist ein Streich mit der Zeichnung für dich begegnet schadt aber nichts. du kriegst sie doch. Adieu.

Abends 9.

Im Welschen Garten getanzt. Deine Schwester war da. Sie lachte mich aus da ich um weege machte ihr zu sagen was ich von dir wüßte. Addio Engel.

d. 9. Juli.

Gestern Nachts lieg ich im Bette schlafe schon halb, Philip bringt mir einen Brief, dumpfsinnig les ich – dass Lili eine Braut ist!! kehre mich um und schlafe fort. – – Wie ich das Schicksaal anbete dass es so mit mir verfährt! So alles zur rechten Zeit – – Lieber Engel gute nacht.

Übrigens gehts so entsezlich durcheinander mit mir dass es eine Freud ist. Ade.

Die Imhof kriegt manchmal was von Intressen davon ich die Quittungen aufweisen kann.

Dein Tagbuch!!!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1776. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-715F-A