36/84.
An August von Goethe
Eger d. 2. Aug. 1822.
Graf Sternberg kam den 30ten gegen Mittag, begleitet von Dr. Pohl dem brasilianischen Reisenden und dem berühmten schwedischen Chemiker Dr. Berzelius. Die Unterhaltung war lebhaft und lehrreich; letzterer lies die schönsten Versuche mit dem Löthrohr sehen. Wir besuchten zusammen die Gegend; ich habe in jedem Sinne viel gewonnen. Wenn sich nur alles im Gedächtniß fixiren wollte!
Dein Brief vom 27. Jul. ist angekommen, grüße Freund Meyer schönstens, ich schreibe ihm bald.
[105] B. Henning in Berlin giebt Nachricht von seinen chromatischen Vorlesungen und betreibt das wissenschaftliche Geschäft sehr brav. Er kommt Ende August noch Gotha und wird uns von da besuchen.
Morgen gedenke ich mit Rath Grüner nach Falkenau zu einem dortigen Bergmeister zu fahren, mehr um Kenntniß der Gegend zu erlangen als Mineralien nach Hause zu tragen, mit denen man sich überhaupt zu sehr belädt. Dem 4. wollen wir auf Hartenberg bey'm Grafen Auersperg zubringen und den 5. wieder hier seyn; da ich denn sogleich das Weitere vermelde.
Das Wetter ist gewitterhaft, sehr wandelbar; darauf muß man es denn wagen, weil recht schöne Stunden dazwischen hervortreten. Nur werden die Seitenwege sehr verdorben, manche Unternehmung wird beschwerlich, wenn man sie nicht gar aufgeben muß.
Die Absicht des Grafen in München ist höchst löblich und edel; man will es dahin zu bringen suchen. daß die bayerischen mit den östreichischen Naturforschern und Sammlern bey Herausgabe der eroberten brasilischen Schätze sich über die verschiedenen Fächer besprechen und verständigen, damit nicht doppelt und doch glückweise der Gewinn vor dem Publicum erscheine, hiernach könnte Arbeit und Kosten den Unternehmern und schwere Zahlung dem Publicum erspart werden. Möge ein so wohl überdachter Plan glücklich von statten gehn.
[106] Schloß Kinsberg an der bayerischen Gränze. Der ganz erhaltene, auf dem quarzigen Thonschiefer unmittelbar ausstehende, runde Thurm ist eins der schönsten architektonischen Monumente dieser Art, die ich kenne, und gewiß aus den besten römischen Zeiten; er mag achtzig Fuß hoch seyn und steht als colossale toscanische Säule, unmerklich kegelförmig abnehmend.
Au s Thonschiefer Gebaut, schlingen sich verschiedene Banden gleichförmiger Steine horizontal um ihn herum, wie sie der Bruch liefern mochte; kleine röthliche, die man fast für Ziegeln halten könnte, behaupten ringförmig ihre Region; graue plattenartige, größere bilden gleichfalls ihre Cirkel oberwärts, und so geht es ununterbrochen bis an den Gipfel, wo die ungeschickt aufgesetzten Mauerzacken neuere Arbeit andeuten.
Und so lebe wohl. Sende bis auf Weiteres. Grüße alles. Linen namentlich.
G.