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An Friedrich Heinrich Jacobi

An eben dem Tage, da Herr Brizzi, welcher uns bisher viele vergnügte Stunden verschafft, von uns Abschied nimmt, erhalte ich den dritten Jahresbericht der Königl. Akademie der Wissenschaften, wahrscheinlich durch deine Vorsorge, und will hiermit zum schönsten dafür gedankt haben. Wohl möchte ich einmal die Schätze sehen, die sich dort nach und nach versammelten; besonders machen mich in diesen letzten Blättern die neu einrangirten Münzen lüstern: denn an diesen Denk- und Kunstwerken ergetze ich mich sehr seitdem ich von jenem großen, italiänischen Gastmal aufgestanden, und genöthigt bin, mich am nordischen Katzentische vom Abhub zu nähren. Jacobsens Rede, die mir schon früher zukam, hat uns das große Festin der griechischen Epoche wieder recht lebhaft erinnert, und indem sie unsern Geist erhob, unser Gemüth in eine Halbtrauer versetzt. Auch er soll Gruß und Dank haben.

[445] An mehrern andern wissenschaftlichen Fortschritten, die uns durch dieses dritte Heft angezeigt werden, nehme ich aufrichtig Theil; am liebsten aber wünsche ich dir Glück, daß du nach manchen ausgestandnen Stürmen, von denen wir sehr ungern mehreres vernommen, endlich wieder zu einem ruhigen und erfreulichen Leben gelangt bist. Möge dieser Zustand nun desto sicherer fortdauern, und die überstandene Prüfung niemals wiederkehren.

Was mich betrifft, so bin ich immer beschäftigt, ohne viel zu thun, und am Ende kommt denn doch dieses oder jenes zu Stande. Vergangenen Sommer habe ich meist wohl und froh in Böhmen zugebracht; ich hoffe den nächsten soll es mir wieder so werden. Laß mich gelegentlich auch wieder von dir etwas vernehmen, und wirf einen Blick auf beyliegendes Blättchen. Vielleicht kann durch deine Vermittlung ein gutes Kunstwerk entstehen und ein braver Künstler gefördert werden. Lebe recht wohl und gedenke mein.

Weimar den 19. December 1810.

G.


[Beilage.]

[Concept.]

Gefällig zu gedenken.

Ihro Königl. Hoheit der Kronprinz von Bayern haben, wie zu vernehmen gewesen, mehrere Bildhauer beschäftigt, um eine Sammlung von Portrait-Büsten vorzüglicher Männer, der gegenwärtigen und vergangenen [446] Zeit, nach und nach aufzustellen. Unter andern soll die Rede von Lucas Cranach gewesen seyn. Ein solches Bildniß würde von Weimar aus am besten geliefert werden können, weil sich dieser Künstler auf dem großen Altarblatte der hiesigen Hauptkirche, neben Luthern, zu Füßen des Gekreuzigten, mit der größten Sorgfalt gemalt hat. Auch ist ein geschickter Bildhauer hier, Namens Weißer, ein Nachfolger von Herrn Tieck, der sich schon durch mehrere Büsten in Gips, und einige in Marmor sehr vortheilhaft ausgezeichnet hat; und wie er sich schmeichelt schon von gedachtem Herrn Tieck empfohlen worden ist. Dieser würde, wenn ihm der höchste Auftrag geschähe, unter Anleitung obgedachten Gemäldes und andrer Hülfsmittel, z.B. eines Grabsteins, worauf das Bild des Künstlers en relief gearbeitet, wahrscheinlich ein sehr ähnliches, und nach seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch gutes Kunstwerck hervorbringen; welches Zeugniß ich ihm auf sein Ansuchen nicht versagen wollen, weil ihm zu wünschen ist, daß er sowohl für die Gegenwart gefördert als für die Zukunft bekannter werde. Sein stiller Charakter und seine Bescheidenheit machen es beynahe nothwendig, daß man ihm von außen zu Hülfe kommt.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-718E-D