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An Christiane von Goethe

Deinen Brief, meine Liebe, datirt Lauchstädt den 14. July, habe ich am 21. erhalten und daraus mit Vergnügen ersehen, daß es dir wohlgeht. Es ist immer angenehm, an einen Ort wieder zu kommen, wo man in früherer Zeit vergnügt gewesen ist, in eine Gegend, wo man schon Verhältnisse hat und weiß, wie es daselbst beschaffen ist. Ich sende den gegenwärtigen Brief nach Weimar, daß er dich entweder daselbst empfange, oder kurz nach dir gleichfalls ankomme.

[372] In meinem Zustand hat sich nichts verändert. Ich befinde mich sehr wohl und kann nunmehr hoffen, daß es dauern werde; wobey es nur darauf ankommen wird, in wiefern ich mich der Ordnung gemäß halten kann, von der ich nun einmal weiß, daß sie mir convenirt.

Nach Wien habe ich wiederholt Einladungen. Graf Purgstall, ein alter Bekannter von Jena und aus der Schweiz her, hat mir sein Haus offerirt, da er sich den Sommer auf dem Lande aufhält, und was dergleichen Anträge mehr sind. Ich lasse mich aber dadurch nicht reizen, weil ich alles, was die Cur gut gemacht hat, durch einen solchen Spaß wieder verderben könnte. Länger hier zu bleiben aber habe ich große Lust, wo ich ganz nach meinem Sinne leben und nach Belieben meiner pflegen kann. Denn die Ärzte gestehen selbst, daß bey Übeln, welche tiefer liegen und mit denen man schon Zeitlang behaftet ist, die vierwöchentliche stürmische Cur wenig heißen will und daß ein sachterer und längerer Gebrauch vorzüglichere Wirkung thut.

Das Wetter ist außerordentlich schön. Ich sehe wenig Menschen, weiß mich aber den Tag zu beschäftigen und zu unterhalten.

Frau Stallmeister Böhme und Demoiselle Musculus, Professor Fernow und Doctor Schütze sind auch glücklich angekommen und es zeigen sich täglich neuen Curgäste.

Da wir so unerwartet Friede haben, der sich wohl[373] so bald noch nicht hoffen ließ, so wollen wir auf eine zwar stille und bescheidene, aber um desto gemüthlichere Art unsres Lebens den nächsten Winter genießen. Richte dich darauf ein, daß wir unsere alte Gastfreyheit fortsetzen können. Für hübsches Geschirr, Tafel und Theetisch auszuputzen, ist gesorgt. Auch bringe ich dir eine silberne Thee- und Milchkanne mit, zu der ich zufälligerweise, ohne sonderliche Kosten, gekommen bin. Der Herzog nemlich, als er wegging, verehrte mir einen Caminaufsatz von Bronce, der für jemand anders bestimmt gewesen war, und zu letzt beym Umtausch der Geschenke stehen blieb. Diesen vertauschte ich mit geringer Aufzahlung gegen jene Geschirre, die dir Vergnügen machen werden. Die Kette ist auch fertig und sieht sehr schön aus. Wenn ich Gelegenheit wüßte, schickte ich sie zum Geburtstage. Doch wird sie dir auch später Vergnügen machen.

Die Glaswaren will ich einpacken lassen und mit dem Postwagen fortschicken. Ich adressire sie an Herrn von Hendrich, der sie dir besonders gefallen.

Die Pistolen für August sind auch angeschafft und so hätte ich denn ziemlich beysammen, was ich mitbringen oder schicken wollte. Ich wünsche, daß wir uns dessen zusammen erfreuen mögen.

Daß du mit der Theaterwelt, der alten und jungen, in Verbindung bist und bleibst, ist mir sehr angenehm. Ich weiß recht gut, daß alle Händel, die [374] in diesem Zirkel entstehen, gar leicht vermiedet, oder wenigstens viel schneller abgethan werden könnten, als gewöhnlich geschieht. Wenn ich zurückkomme, werde ich die Sache auf meine Weise behandeln. Du kannst alle von mir grüßen und ihnen sagen, daß ich nur wünsche, meine Gesundheit möge auch diesen Winter dauerhaft bleiben, damit ich mich wieder einmal recht ernsthaft und anhaltend einer Anstalt annehmen könne, die so weil gediehen ist, daß es uns denn doch nicht leicht Jemand nachmachen wird. Grüße alles zum schönsten und danke deinem Bruder für die Briefe, die er mir geschrieben, und laß mich erfahren, wie es dir in der letzten Hälfte des July ergangen.

Vorstehendes war geschrieben, als dein Brief vom 21. ankam. Erst war dies Blatt nach Weimar bestimmt, nun soll es aber nach Lauchstädt, da es dich dort noch erreichen kann. Daß du nicht nach Leipzig gehst, find' ich ganz vernünftig. Ich wünsche, daß du zu Hause alles wohl antreffest, wo du auch bald Briefe von mir haben sollst, wenn ich mir etwas näher überlegt habe, was ich fernerhin vornehmen will. Nach Wien gehe ich auf keine Weise, ob ich aber gerade oder durch einen Umweg nach Hause gehe, bin ich noch unentschieden. Lebe recht wohl, grüße Augusten und alles in deiner Nähe. Wenn du in Weimar angekommen bist, so schreibe mir.

Carlsbad den 27. Julius 1807.

G. [375]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-71A9-F