46/154.

An Carl Friedrich Zelter

Läßt man sich in historische und ethymologische Untersuchungen ein, so gelangt man meistens immerfort in's Ungewissere. Woher der Name Mephistopheles entstanden wüßte ich direct nicht zu beantworten; beyliegende Blätter jedoch mögen die Vermuthung des Freundes bestätigen, welche demselben gleichzeitig-phantastischen Ursprung mit der Faustischen Legende gibt; nur dürfen wir sie nicht wohl in's Mittelalter setzen: der Ursprung scheint in's sechzehnte und die Ausbildung in's siebzehnte Jahrhundert zu gehören. Die protestanischen Teufelsbeschwörer hatten den kirchlichen Bann nicht unmittelbar zu befürchten, und es gab destomehr Cophtas welche die Albernheit, Unbehülflichkeit und leidenschaftliche Begierde der Menschen zu nutzen wußten; denn freylich wäre es leichter durch einige gezogene Charaktere und unsinniges Gemurmel reich zu werden, als im Schweiße seines [157] Angesichts das tägliche Brot zu essen. Haben wir doch noch vor Kurzem im Neustädter Kreise ein dergleichen Nest von Schatzgräbern ausgehoben und damit ein Dutzend solcher Wunderschriften, deren aber keine an Werth jenem Codex gleicht aus welchem beyliegender Auszug gemacht ist.

Soviel vorläufig mit meinem freundlichsten Worte an Herrn Friedländer, und verzeihe diesem umständlichen Erwidern.

Noch manches hätte zu erwidern auf die beiden Briefe, wovon der letzte vom 17. November. Damit Beyliegendes aber vom Tische komme, mag es eilig zu dir hingehen; ich muß nur jeden Morgen wegschaffen was da liegt, der Tag bringt schon wieder Neues genug.

Alle gute Geister
in Gefolg so vieler
Höllischen.
Weimar den 20. November 1829.
G.

[Beilage.]

Die römische Kirche behandelte von jeher Ketzer und Teufelsbanner als gleichlautend und belegte sie beiderseits mit dem strengsten Bann, so wie alles was Wahrsagerey und Zeichendeutung heißen konnte. Mit dem Wachsthum der Kenntnisse, der nähern Einsicht in die [158] Wirkung der Natur scheint aber auch das Bestreben nach wunderbaren geheimnißvollen Kräften zugenommen zu haben. Der Protestantismus befreyte die Menschen von aller Furcht vor kirchlichen Strafen; das Studentenwesen wurde freyer, gab Gelegenheit zu frechen und liederlichen Streichen; und so scheint sich, in der Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, diese Teufels- und Zauberwesen methodischer hervorgethan zu haben, da es bisher nur unter dem verworrenen Pöbel gehaust hatte. Die Geschichte von Faust wurde nach Wittenberg verlegt, also in das Herz des Protestantismus, und gewiß von Protestanten selbst; denn es ist in allen den dahin gehörigen Schriften keine pfäffische Bigotterie zu spüren, die sich nie verläugnen läßt.

Um die hohe Würde des Mephistopheles anschaulich zu machen liegt ein Auszug abschriftlich bey einer Stelle von Fausts Höllenzwang. Diese höchst merkwürdige Werk des raisonnirtesten Unsinns soll, nachdem es lange in Abschriften umhergelaufen, Passau 1612 gedruckt worden seyn. Weder ich noch meine Freunde haben ein solches Original gesehen, aber wir besitzen eine höchst reinliche vollständige Abschrift, der Hand und übrigen Umständen nach etwa aus der Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts.


[159] Praxis

Cabulae nigrae

Doctoris Johannis Faustii

Magi celeberrimi

Passau MDCXII.


Zweyter Titel:

D. Johannis Faustii

Magia

naturalis

et

innaturalis

oder

unerforschlicher Höllenzwang,

das ist

Miracul-Kunst und Wunderbuch

wodurch

ich die höllische Geister habe bezwungen, daß sie

in allen meinen Willen vollbringen haben

müssen.

Gedruckt Passau Ao. 1612.


Der erste Theil

diese Buchs

handelt von der

Nigra mantia

oder

Cabula nigra

wie auch von

Magia naturali, et innaturali.


[160] Cap. I

Handelt von der Eintheilung derer Geister und

ihren Rahmen auch was sie denen Menschen

helfen können.


Damit du lieber Nachfolger nun wissest, derer Geister ihre Regierung und Eintheilung in ihre höllische Chöre und Fürstenthümer, so will ich dich solches hiermit nacheinander lehren und zeigen als in diesem Capitul ihre Rahmen, im folgenden Capitul aber ihre Eintheilung in ihre Chöre und Fürstenthümer.

Nadanniel* ist der Geist der verstoßen ist von Gott.

*) Wird sonst genannt Lucifer, auch Bludohn, auch Beelzebub.

Es seyn auch unter dem ganzen höllischen Heer 7Churfürsten, als Lucifer, Marbuel, Ariel, Aciel, Bar biel, Mephistophiel, Apadiel.

Aber unter diesen 7 Churfürsten werden wieder gezehlt 4 Großfürsten, als Lucifer, Ariel, Aciel, Marbuel.

Es seyn auch unter den höllischen Herrn 7 Falsgrafen 1, welche heißen: Ahisdophiel, Camniel, Padiel, Coradiel, Osphadiel, Adadiel, Capfiel. Alle diese sind sehr mächtige Geister in dem höllischen Heere.

Es seyn auch in dem höllischen Heere 7 kleine Grafen, welche heißen: Radiel, Dirachiel, Paradiel, Amodiel, **Jschscabadiel, ***Jazariel, Casadiel.

**) Jschscabadiel ist ein Hochmuths-Geist.

***) Jazariel bringt den Menschen hervor alle Stammgeister welche außerhalb dem Freuden- Paradieß in Lüfften schweben.

Es seyn auch unter dem höllischen Heere 7 Baronen, welche heißen:

1. Germiciel ist ein starker Lufft-Geist.
[161] 2. Adiel ist ein starker Feuer-Geist.
3. Craffiel ist ein starker Krieges-Geist.
4. Paradiel. 5. Assardiel. 6. Kniedadiel. 7. Amniel.
Es sind auch unter dem höllischen Heere 7 adeliche Geister, welche heißen:
1. Amudiel. 2. Kiriel, dieses sind zwey starke Feuer-Geister.
3. Bethnael. ****4. Geliel. 5. Requiel. 6. Aprinaelis. 7. Tagriel.

****) Diese letzteren viere, als 4. 5. 6. 7. sind kleine Feuer-Geister und werden unter das höllische Heer gezehlet.

Es sind auch unter dem höllischen Heere 7 bürgerliche Geister, welche heißen:

1. Alhemiel. 2. Amnixiel. 3. Egibiel. 4. Adriel.
Diese 4 sind auch aus dem höllischen Heere.
5. Azeruel. 6. Ergediel. 7. Abdicuel. Diese 3 sind Feuer-Geister.
Es sind auch in dem höllischen Heere 7 Bauer-Geister, welche also heißen:
1. Aceruel. 2. Amediel. Diese 2 sind Feuer-Geister.
3. Coradiel. 4. Sumnidiel 5. Coachtuel. Diese 3 sind Lufftgeister.
6. Kirotiel. 7. Apactiel. Diese 2 sind aus dem höllische Heere.

Es sind auch unter dem höllischen Heere 7 kluge Geister, diese sind die allergeschwindesten und das Haupt unter dem höllischen Heere, und können zu allen Künsten gebraucht werden, wie man sie nur haben will.

1. Mephistophiel. 2. Barbiel. 3. Marbuel. 4. Ariel. 5. Aciel. 6. Apadiel. 7. Camniel.

Es sind auch 7 tumme Geister, welche große Macht haben auch in vielen Künsten erfahren, aber dabey sehr [162] tumm sind; diese machen auch gerne Pacta oder Bündnisse mit denen Menschen, dahero kann man leichte wieder von sie kommen, durch viele Künste, und diese heißen:

1. Padiel. 2. Cafphiel. 3. Paradiel. 4. Casdiel. 5. Kniedatiel. 6. Amniel. 7. Tagriel.

Es finden sich auch 4 freye Geister, welche heißen wie folget:
1. Asmodiel, ist der Haupt- und Mordgeist.
2. Discerdiel, der Zankgeist.
3. Amodiel, ist der Huren-Geist.
4. Damniel, ist der Diebes-Geist (ein Lufftgeist.)

Diese 4 freye Geister gehören auch unter das höllische Heer. Nadanniel ist der gebundene und von Gott verstoßene Geist.


Cap. II.

Handelt von der Eintheilung aller Geister in die Chöre ihrer Fürsten.


Alle höllische Heer-Geister gehören unter den Nadanniel oder Lucifer, auch Beelzebub genannt.
Alle Feuer-Geister gehören unter den Ariel.
Alle Erd- und Lufftgeister gehören unter den Marbuel.
Alle kleine Grafen und Barones gehören unter den Aciel.
Alle Fallsgrafen gehören unter den Barbiel, und
Unter die sieben Fallsgrafen gehören die 7 adeliche Geister.
Unter dem Mephistophiel gehöret Amudiel, denn

N.B. Mephistophiel ist statt des Lucifers über alle Geister gesetzt.

Unter den 7 kleinen Grafen stehen die 7 adeliche Geister, wie sie nach der Reyhe stehen, denn wie die [163] 7 adeliche nach der Reyhe stehen, so stehen auch die 7 bürgerliche nach der Reyhe wieder.

Unter die 7 adeliche stehen die 7 bürgerliche nach der Reyhe, wie die adelichen nach der Reyhe stehen.

Unter die 7 bürgerliche gehören die 7 bäuerliche nach der Reyhe wie die 7 bürgerliche.

Unter die 7 bäuerliche gehören die 7 kluge Geister nach der Reyhe, wie die bürgerliche nach der Reyhe stehen, und

Unter die 7 kluge Geister gehören die 7 tumme Geister nach der Reyhe, wie die klugen nach der Reyhe stehen, also stehen auch die tummen nach der Reyhe.


Note:

1 Pfalzgrafen

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-71B0-E