32/14.
An Carl Ludwig von Knebel
Nach einen dreywöchentlichen Aufenthalt muß ich doch mit wenigen Zeilen bey dir anklopfen und vor allen Dingen für die herrliche Stelle aus dem Lucrez meinen allerbesten Dank abstatten. Sie erschien mir als ein leuchtendes Meteor, höchst erquickend, obgleich durch die Anwendung einigermaßen beschämend.
Aber auch dafür danke herzlich, daß du dich zu bekannten und unbekannten Freunden gesellen mochtest, um mich an dem Tage fühlen zu lassen, daß man[24] nicht allein sey. Es ist dieß nöthiger als je: denn man findet doch überall ein Irrsal unter den Menschen, das sie vom Vertrauen lostrennt, indem sie es anzuknüpfen wünschen.
Meine erste Beschäftigung hier war, die Müller'sche Sammlung wieder vor mir aufzulegen. Anfangs erschien sie blos als Cadre, bis nach und nach das ganze Regiment vollständig ward und wirklich alles beysammen war, weshalb wir aber manche lustige Fahrt und machen sauren Gang unternommen. Durch diese Veranlassung habe ich denn auch wieder die Gegend umher meist gesehen: Schlackenwerth, Engelhaus, Elbogen zweymal, wo der Überrest des Meteorsteins höchst merkwürdig ist. Jammerschade, daß man so ein kostbares Naturproduct in Stücken schnitt, eben als wenn man einen großen Diamanten spalten wollte, um sich darin zu theilen, oder wenn, nach Salomonischem Urtheil, ein halbirtes Kind auch eine Art von Säugling wäre.
Sonst habe ich mancherley mitgenommene Papiere geordnet, schematisirt und auf den Winter vorbereitet. In acht Tagen denke ich abzugehen und werde wohl bald bey euch seyn.
Möge der Druck deines Lucrez nur dießmal gelingen! damit man den herrlichen Geist auf Reisen immer mit sich führen könnte; da eine Übersetzung wie die deine uns ein Gefühl giebt, als wäre er uns näher verwandt geworden.
[25] Verzeih der Unfähigkeit meines Schreibenden, unter gegenwärtigen Umständen ist er mir von großer Hülfe. Grüsse Wellern; er dancke seinen Mitarbeitern! Kennst du gegenüberstehende Juwelen griechischen Ursprungs?
Alles Gute! dir und den Deinigen.
G.