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An Sulpiz Boisserée

Die Eile womit wir die, bey Einlangung Ihres werthen Schreibens, zur Ausfertigung vorbereitet liegenden Papiere fortschickten wird Sie überzeugen wie viel uns daran liegt das angeknüpfte Geschäft ruhig fortzusetzen und es freut uns daß wir durch jene Erklärung denen durch Sie gethanen Vorschlägen aus eigenem Antrieb entgegen kommen.

Lassen Sie mich jedoch das Hauptübel, das bey dieser Verhandlung obwaltet, aussprechen: es ist dieß: daß der Verleger jederzeit genau weiß was ihm und seiner Familie frommt, der Autor dagegen völlig[241] darüber im Dunkeln ist. Denn wo sollte er in dem völlig gesetzlosen Zustande des deutschen Buchhandels Kenntniß nehmen was darinnen Rechtens ist, was Herkommens und was nach sonstiger Convenienz Buchhändler sich einander verzeihen und gegen die Autoren erlauben. Daher kommt es denn daß der Verleger sich gar bald, auch in den wichtigsten Fällen, entschließt der Autor dagegen schwanken und zaudern muß.

Sodann auch setzt Ihr liebes Schreiben uns in nicht geringe Verlegenheit. Sie haben, wie es einem Ver mittelnden wohl ansteht, die Argumente des Herrn v. Cotta, welche derselbe gegen uns aufstellt, treu überliefert; sollen wir jedoch die Gegengründe, womit wir jene zu entkräften glauben, deutlich und unumwunden aussprechen, so kommen wir in den unangenehmen Fall das Vergangene wieder zur Sprache zu bringen, welches wir lieber, da von Erneuerung eines früheren guten Verhältnisses die Rede ist, der Vergessenheit überließen.

Vielleicht kommen wir auch zum Zwecke ohne daß wir Sie mit einer so unangenehmen Darstellung behelligen dürfen.

Ich wünsche dieß um so mehr als ich mir in meinen Jahren in jedem Geschäft alle Empfindlichkeit verbiete und nur darauf sehe wo es gegenwärtig steht und wie der Gang desselben gefördert werden kann.

[242] Auch finden sich für uns in Ihrem Briefe dunkle Stellen, die, eben wegen jener oben beklagten Ungewißheit der Verhältnisse, uns vielleicht erst nach wiederholtem Lesen und Überlegen klar werden.

Haben Sie die Gefälligkeit das von uns in der letzten Sendung Vorgeschlagene und Zugestandene mit dem Freunde zu überlegen und dasjenige was uns noch scheidet genau zu articuliren.

Meine entschiedene Vorliebe für das Verhältniß mit Herrn v. Cotta hat sich seit 1823, als dem Termine des Ablaufs unseres früheren Contracts, immer unverrückt erwiesen; wie ich mich auf die seit jener Zeit erlassenen Briefe durchaus berufen kann, deren Inhalt, wenn ich mich auch der Worte und Ausdrücke nicht erinnere, diesen Gesinnungen ganz gewiß entspricht.

Lassen Sie uns also auf diesem concilianten Wege fortfahren, auf welchem Sie gewiß das Vergnügen haben eine für beide Familien so wichtige Angelegenheit zum Abschluß zu bringen.

Und hiezu komme denn noch einiges Förderliche. Daß die vollständigen Werke angekündigt werden geb ich gleichfalls nach, vielleicht setzte man wie bisher die erste Zahl der Bände auf vierzig, worin poetische Werke, ästhetische, literarische, kritische, historische und sonst versprochen würden. Die Zahl der wissenschaftlichen bliebe unbestimmt. Wobey sich von selbst versteht, daß sie nach Maaßgabe der vierzig vorhergehenden [243] honorirt werden. Die Redaction derselben wird indessen treulich besorgt.

Kunst und Alterthum, Morphologie u.s.w. gingen ihren ernsten Schritt vorwärts.

Dann ist wohl zu bemerkender Ort, daß in meinem Nachlaß dereinst, besonders auch in meiner wohlgeordneten Correspondenz sich Dinge finden werden welche, bey kluger Redaction für das Publicum von hohem Interesse seyn müssen; deshalb ich denn auch herzlich wünsche daß Herr v. Cotta mit den Meinigen und denen Männern, die mit mir arbeiten, und denen nach mir so wichtige Papiere zu behandeln zufallen, in ein zutrauliches humanes Verhältniß gelange.

Daß die Anzeige zugleich ein Musterblatt enthalte, auch als Muster gedruckt sey, wie der mir übersendete v. Humboldtische Bogen das Beyspiel gibt, ist sehr wünschenswerth.

Auch sehe aus der Ankündigung von Herders Werken daß nicht Pränumeration sondern Subscription verlangt werde, wodurch alle Beschwerden, wie solche über die Schillerische Ausgabe laut geworden, auf einmal gehoben sind.

Wegen der bisherigen Gebote können wir aus unseren streng geführten Acten soviel vermelden daß seit dem April vorigen Jahres von bedeutenden zwanzig Buchhandlungen Anträge geschehen welche, wie die Wichtigkeit des Geschäfts sich nach und nach aufklärte, zuletzt von ganz sicherer Handlung 70.000 Reichsthaler [244] und 80.000 Reichsthaler von zweyen dergleichen geboten worden und zwar mit Beybehaltung des Termins von zwölf Jahren.

Nun aber schließe ich mit der dringenden Bitte: werden Sie nicht müde die Sache wechselseitig aufzuklären; denn auf alle Fälle müssen die in einer so wichtigen Sache sich hervorthuenden Mißverständnisse und Schwierigkeiten, durch den obwaltenden guten Willen, sich endlich beseitigen lassen. Wofür wir auch Ihnen gern jetzt und in lebenslänglicher Folge den aufrichtigsten Dank abstatten.

So treu als vertrauend

angehörig

Weimar den 12. Januar 1826.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-71D8-5