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An Carl Ernst Schubarth

Ihre beiden Briefe, mein Werthester, habe wohl erhalten und in der Zwischenzeit Ihr Heft gelesen, [227] da ich denn Ursache finde, mich für den Antheil, den Sie mir und meinen Arbeiten gegönnt, dankbar zu erzeigen. Dieses wüßte ich vorerst nicht besser zu thun als daß ich Ihre Frage mit Wenigem beantworte und Sie ersuche, auf dem Wege, den Sie einschlagen, standhaft zu verharren.

Es ist ganz einerley, in welchem Kreise wir unsere Kultur beginnen, es ist ganz gleichgültig, von wo aus wir unsere Bildung in's fernere Leben richten, wenn es nur ein Kreis, wenn es nur ein Wo ist. Verharren Sie bey'm Studium meines Nachlasses: dieß rathe ich, nicht weil er von mir ist, sondern weil Sie darin einen Complex besitzen von Gefühlen, Gedanken, Erfahrungen und Resultaten, die auf einander hinweisen, wie Sie schon selbst so freundlich und einsichtig dargestellt haben. Genügt Ihnen in der Folge diese abgeschlossene Region nicht mehr, so werden Sie von selbst sich daraus entfernen; führt Ihnen das Leben eine neue Wahlverwandtschaft zu, so werden Sie sich von Ihrem ersten Lehrer abgezogen fühlen und doch immer dasjenige schätzen, was Sie durch ihn gewonnen haben. Eine productive Bildung, die aus der Einheit kommt, ziemt dem Jüngling, und selbst in höheren Jahren, wo wir unsere Fortbildung mehr historisch, mehr aus der Breite nehmen, müssen wir diese Breite wieder zur Enge, wieder zur Einheit heranziehen.

Freilich weiß ich wohl, daß Sie mit der Welt in[228] Widerspruch stehen, die auf dem großen Jahrmarkt des Tages Zeit und Kräfte verzettelt; deswegen thäte man wohl, zu schweigen und für sich fortzuhandeln, wenn Mittheilung zum Leben und Wachsen nicht so höchst nöthig wäre.

Mehr sage ich nicht und schließe mit dem aufrichtigen Wunsch für Ihr Wohl und mit dem Verlangen von Zeit zu Zeit etwas von Ihnen zu hören.

Weimar, den 8. Juli 1818.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Carl Ernst Schubarth. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-71F0-F