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An Christian Gottlob Voigt

Jena den 10. Januar 1811.

Durch die Anstellung des Professor Jagemann bey dem Zeichnen-Institut, durch die Einrichtung eines Ateliers für denselben und durch die bey dieser Gelegenheit getroffenen Einrichtungen gewinnt jene Anstalt sehr viel, und es sind die besten Erfolge nunmehr zu erwarten. Nur indem unser sogenanntes Museum, die Sammlung von Zeichnungen nämlich, welche auf dem linken Flügel bisher beysammen und verschlossen waren, getrennt und Einem Beschlusse entzogen werden, finde ich mich einigermaßen für die Folge beunruhigt und eröffne daher meine Gedanken, wie ich denn Vorschläge zu künftiger Ordnung und Verwahrung hinzufüge.

Es ist ein allgemein angenommener, und durch die Erfahrung bewährter Satz, daß Bewahren und Benutzen zweyerley Dinge sind. Ein thätiger Gelehrter ist kein fleißiger Maler kein guter Bibliothekar, und ein fleißiger Maler kein guter Gallerieninspector. Auch ist die Conservation der Kunstschätze selten in Eine Hand gegeben. Was in unserer besonderen Lage mir in gegenwärtigen Falle räthlich scheint, eröffne ich in Folgendem: Als nach dem Ableben der Herzogin Frau Mutter die schönen Zeichnungen und Gemälde aufgestellt und verwahrt werden [5] sollten, wiesen Se. Durchlaucht der Herzog solche an die Bibliothek. Dort waren sie gut aufgehoben, da der Bibliothekare und Subalternen aufs Erhalten angewiesen und verpflichtet sind. Als jedoch der Platz im Bibliotheksgebäude zu eng war, und einige Zimmer im linken Flügel des Fürstenhauses zu gedachtem Gebrauch eingeräumt wurden, glaubte man bey der bisherigen Einrichtung bleiben zu können, und übergab den Bibliothekaren und Bibliotheks-Subalternen, als welche gewöhnt sind, Fremde herumzuführen und ihnen das Merkwürdige vorzuzeigen, die Schlüssel des neuen Locals, um so mehr, als Hofrath Meyer die Aufsicht ausdrücklich abgelehnt hatte.

Gegenwärtig, da eine bedeutende Veränderung vorgeht, und Se. Durchlaucht der Herzog die Kunstschätze durch die Acquisition der Gore'schen Bilder vermehrt haben, finde ich Anlaß genug, die Sache nochmals durchzudenken, und das Resultat scheint mir Folgendes: Alle Gemälde und alle Zeichnungen, insofern sie unter Glas und Rahmen sind, oder auf sonst eine Weise an den Wänden aufgehangen werden, sollen als zum fürstlichen Mobiliar gehörig angesehen und dem Hofmarschall-Amt übergeben werden. Ein vollständiges Inventarium aller solcher Kunstwerke, sie mögen im fürstlichen Schlosse, im Fürstenhause, auf Luftschlössern und Landhäusern befindlich sein, würde eben so viel Interesse als Sicherheit gewähren. Man sähe alles Vorhandene deutlich vor sich; veränderte [6] ein Bild seinen Platz, so würde es bemerkt; denn die Erfahrung zeigt leider nur zu sehr, daß die Ortsveränderungen, Umstellungen, Specialverwahrungen der Bilder manches Verderbniß, ja manchen Verlust nach sich ziehen.

Hofrath Meyer, welcher auch bey dieser Gelegenheit wieder die Übernahme der Kunstwerke verbeten hat, behielte das Inventarium der Zeichnen-Schule, welches blos aus Dingen besteht, die zu eigentlicher Belehrung genutzt werden. Alles was darüber ist, wird nur den Lehrern eine Last, und den Schülern eine Zerstreuung. Auf diese Weise bliebe das Zeichnen-Institut in seinen alten Grenzen, und der Director desselben hätte keine andere Verantwortlichkeit, als die, welche aus der Natur seines Geschäfts herfließt.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7201-1