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An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra

Je unerwarteter mir das angenehme Geschenk von meinem verehrten Freunde gewesen, desto erfreulicher war es mir. Es kommt gerade zwischen Weihnachten und Neujahr, um seinen doppelten Glückwunsch gar anmuthig auszurichten. Diese uralten Denkmäler der Weltveränderung zu einem freundlichen täglich Gebrauche zu benutzen ist ein Gedanke, des Mannes werth, der seyn Leben zugebracht hat, die Naturschätze zum Besten und zur Freude der Menschen zu entdecken, an den Tag zu bringen und zu verarbeiten.

Hofrath Blumenbach, dessen Schreibzeug mit Zubehör aus lauter Naturseltenheiten zusammengesetzt ist, würde mich um dieses Lineal beneiden, wenn es ihm vor Augen kommen könnte. Ich danke dafür zum allerverbindlichsten; es soll sogleich in mein Reisebesteck aufgenommen werden und mich, wie ich hoffe, gelegentlich wieder nach Freyberg begleiten.

[223] Daß es mir gelingen würde, durch die Schilderung meiner Knabenjahre mich meinem alten Freunde auf eine heitere Weise darzustellen, hatte ich, währender Arbeit, immer gehofft, und es freut mich gar sehr aus meinen stillen Zimmern zu meinen entfernten Lieben hinzureichen. Ich bin sowohl mit Erinnerung des Ganzen als mit Ausarbeitung des Einzelnen ziemlich vorgerückt; doch weiß ich noch nicht, wann die Fortsetzung wird erscheinen können. Ich wünschte nur, daß wir schon wieder in Ilmenau zusammenträfen: denn ich hoffe die Schilderung jener Zeit soll dir ein Lächeln abgewinnen. Diese Epoche möcht' ich wohl, statt Dichtung und Wahrheit, Scherz und Ernst übertreiben. Dein und der Deinigen Beyfall muntert mich kräftig auf, und ich wünsche nichts so sehr als bald wieder etwas erwachsener aufzuwarten.

Nun will ich, anstatt einer Gegengabe (denn mit Freunden muß man nicht gleich immer faldiren) noch eine Bitte hinzufügen, um meine Schuld eher zu vermehren als zu vermindern. In den langen Winterabenden habe ich eine Sammlung von Handschriften mehr oder weniger bedeutender älterer oder neuerer Männer geordnet, und darüber ein Verzeichniß abgefaßt; es liegt hier bey, und gewiß bist du im Falle es um ein ansehnliches zu vermehren, da du mit den vorzüglichsten Männern deines Faches und deiner Zeit in Verhältniß gestanden. Ich bitte mir gelegentlich etwas auszusondern und mich damit zu erfreuen. [224] Solche Denkmale, da so vieles verloren geht, sind höchst erwünscht und auferbaulich, und geben zu mancher gesellschaftlichen Unterhaltung Anlaß, wodurch wir die gute Vergangenheit wieder hervorrufen. Jetzt lebe recht wohl, empfiel mich den werthen Deinigen und habe tausend Dank für das holde Andenken!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7236-B