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An Johann Heinrich Meyer

Ihren letzten Brief von Rom, und den ersten von Florenz, habe ich an Einem Tage, gestern den 21. Juli erhalten, die mir zur großen Beruhigung dienten, denn Sie können sich leicht denken daß ich mir dieser Zeit her mancherley Gedanken machte. Indessen sind noch drey Briefe an Sie abgegangen, dem letzten war einer von Fräulein von Imhof beygeschlossen, man wird sie Ihnen wohl von Rom, nachschicken, sie enthalten eigentlich nichts als den sorglichen Zustand, in welchem wir uns bisher befanden, indessen ist auch Frankfurt an die Franzosen übergegangen, sie sind in Schwaben eingedrungen, mit der Erklärung: Deutschland den Frieden geben zu wollen.

Bleiben Sie indessen als Schweitzer und Künstler ruhig in Florenz, und studiren auch diese Stadt wie Sie Rom studirt haben, nehmen Sie sich irgend eine Arbeit vor, und bringen Sie mir, wenn ich nicht so glücklich seyn sollte, Sie dort zu sehen, in Ihrem Geiste und Portefeuille die wünschenswerther Schätze mit. Wegen des Geldes seyn Sie ganz ohne Sorge, es kann, sobald Sie es verlangen nach Zürich bezahlt werden, Ihre Sparsamkeit in Rom ist wirklich evangelisch.

Studiren Sie sich ja recht in die alten Florentiner und nehmen Sie, wie Sie es bisher gethan haben, ja[128] immer das würdigste zuerst, und alsdann, wie es Gelegenheit und Laune giebt, nehmen Sie das übrige, subordinirte Kunstwesen gelegentlich mit; suchen Sie das, was sich auf Ihre Person bezieht, was Ihrer Neigung zunächst liegt, was nach Ihrer Schätzung den höchsten Werth hat zuerst zu ergreifen; gehen Sie, wie Sie es immer thun, zuerst, in die Tiefe, arbeiten Sie sich selbst zu Dank und Sie werden für andere, für mich und für unsern Zweck immer vollkommen sicher arbeiten. Das einzige bitte ich: setzen Sie sich gegenwärtig in Florenz fest, und gehen von da nicht ohne dringende Ursach weg, in kurzem müssen sich die allgemeinen Verhältnisse entscheiden und unsere besonders werden dann auch dadurch ihre Bestimmung erhalten.

Genießen Sie ja der köstlichen Tage unter den florentinischen Kunstwerken, die mir jetzt bey der Übersetzung vom Cellini so lebhaft vor Augen stehn. Das was Sie von seinen Arbeiten sagen trifft mit seinem Charakter und seinem Schicksal vollkommen überein, seine Bildung ging vom einzelnen aus und bey seiner großen puren Sinnlichkeit wäre es ein Wunder gewesen, wenn er sich durch Reflexion hätte zum ganzen erheben sollen. Wenn es möglich ist einige Abdrücke von seinen Münzen zu erhalten so würden sie zur Zierde unserer Sammlung gereichen. Die Beschreibung der silbernen Tafel hat mich sehr lüstern gemacht.

[129] Haben Sie Graf Geßlern auf seinem Durchfluge nicht gesehen? er scheint in aller Eil nach Neapel gegangen zu seyn.

Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf Sie in Italien zu sehen, vielmehr wächst mein Verlangen da ich Sie um so viel näher weiß. Leben Sie recht wohl. Schreiben Sie mir so oft als möglich, damit ich bald erfahre, ob auch unter den gegenwärtigen Umständen meine Briefe bis zu Ihnen durchdringen können. Den 22. Jul. 96.

Wo befinden sich denn die von Ihnen beschriebene Silberne Tafel? und wären nicht von diesem oder von ähnlichen Werken Gypsabgüsse zu haben? In Gotha sind, wie Sie wissen, die Abgüsse der ehernen Thüren, vielleicht finden Sie kleinere und auch bedeutende Sachen. Nochmals muß ich Sie bitten, setzen Sie sich in Florenz fest und suchen Sie diesen Ort und dessen Kunst zu erschöpfen. Die Kriegsunruhen daselbst sind für Sie, als Schweizer und Künstler, nicht schlimmer als irgendwo, Sie wissen wie negativ wir in Friedenszeiten sind, und nun nimmt Sorge und Furcht, Parteygeist und Schadenfreude auch beynah noch die letzte Spur von Selbstständigkeit und Com municabilität hinweg, wie viel wollte ich nicht darum geben um in diesem Augenblicke bey Ihnen zu seyn. Nur der Gedanke, daß jeder den seinigen gegenwärtig so nothwendig ist, macht mir die Empfindung einer, wenigstens für den Augenblick, vereitelten Hoffnung,[130] erträglich. Ich wiederhole nochmals: richten Sie sich behaglich ein und seyn Sie wegen des bedürfenden unbesorgt; schreiben Sie mir nur recht oft.

Ihr Aufsatz in den Horen bat auf Ihren Nahmen im December Monate das Publikum sehr aufmerksam gemacht, besonders scheinen die Herrn Buchhändler zu glauben, daß Sie gerade der Mann seyn müßten ihren deutschen Gudeleyen und Minchionerien durch Ihren beygefügten Text den wahren Werth zu geben. Herr Leo in Leipzig hat sein Magazin für Freunde des guten Geschmacks, der bildenden und mechanischen Künste, Manufacturen und Gewerbe, mit dem Ersuchen an Sie geschickt, künftig dazu einen, simplicirter beschreibenden, ja aber keinen kritische Text zu liefern. Die Hefte, die ich mit einem höflichen Briefe zurückschicken will, sind mit einem unvernünftigen Auswand von Papier und übrigens mit der allerhöchste Armuth und Magerkeit ins Publikum getreten. Leben Sie nochmals wohl und besuchen mich fleißig mit Briefen in der Einsamkeit.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-725A-A