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An Johann Friedrich Blumenbach

Weimar den 4. April 1806.

Kaum war mein letzter Brief abgegangen, als ich schon wieder in Versuchung gerieth Ew. Wohlgeboren [119] zu schreiben und mir eine Belehrung zu erbitten. Die Sache ist diese: Ein preußischer General erzählte mir in diesen letzten Einquartirungstagen, daß er bey Dislocation eines ungeheuren Steins, der ihm auf einem Exercierfelde im Wege gelegen, welches aber durch die Rohheit der Arbeiter und andre Zufälligkeiten zerstört worden. Nach der Beschreibung müßte es unsere gegenwärtigen größten Pferde mehr als einmal an Maaß übertroffen haben. Von den Zähnen hatte er einige nach Berlin an die Academie der Wissenschaft geschickt.

Auch in unseren Gegenden deuten, wie Sie Wissen, größere Knochen, und besonders auch die aufgefundenen Kerne ungeheurer Ochsenhörner auf sehr große Thiere der Urwelt. Sollten aber solche riesenmäßigen Reste auch aus den Zeiten der bewohnten und doch schon einigermaßen cultivirten Welt sich finden? Von riesenhaften Menschenskeleten habe ich manches gehört. Vielleicht ist Ihnen von so einem ausgegrabenen Pferde schon etwas vorgekommen. Interessirte Sie es, so wollte ich das, was mir von der Erzählung erinnerlich ist, genauer aufzeichnen.

Für den übersendeten Hollmann danke zum allerschönsten. Es ist höchst merkwürdig, eine so wichtige Anstalt, wie die göttingische Academie, in ihren ersten aufkeimenden Zeiten zu sehen. Schon bin ich einigemal auf meinem Hollmannen begegnet und [120] habe ihm meine Hochachtung nicht versagen können; um so mehr danke ich Ew. Wohlgeboren, daß Sie mich mit einigen seiner besonders verdienstlichen Arbeiten bekannt machen. Wenn sich der Teich Bethesda Ihrer Bibliothek für Fremde wieder einmal aufthut, so haben Sie die Güte meiner zu gedenken. Nächstens komme ich mit einer andern Bitte, in meinem und August's Namen, der sich bestens empfiehlt, angetreten. Sein Stammbuch nemlich, das Sie mit jener allerliebsten Fabel einweyhten und in dieser Jahren sehr mit vortrefflichen Namen angefüllt worden ist, hat uns auf den Gedanken gebracht, Autographa zu sammeln, um uns Entfernte und Verstorbene zu vergegenwärtigen. Geben Sie mir nur Gelegenheit, Ihnen erst etwas Gefälliges zu erzeigen, sonst dürfen wir kaum wagen, unsre Bitte zu articuliren.

Goethe.

Tausend Grüße den lieben Ihrigen!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1806. An Johann Friedrich Blumenbach. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7267-C