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An Friedrich Schiller

Heute habe ich 21 properzische Elegien von Knebeln erhalten, ich werde sie sorgfältig durchgehen und was ich dabey bemerke dem Übersetzer mittheilen, denn da er sich so viel Mühe gegeben, so möchte wohl ohne seine Beystimmung nichts zu verändern seyn.

[333] Ich wünschte, daß Sie Cottaen ansönnen dieses Manuscript, dessen künftiger Bogenbetrag sich leicht ausrechnen läßt, sogleich zu bezahlen. Ich habe zwar hierzu keinen unmittelbaren Anlaß, aber es sieht doch gleich viel artiger aus, muntert zu fleißiger Mitarbeit auf und dient zur Verbreitung des guten Rufs der Horen. Da ein Buchhändler so oft Vorschüsse geben muß, so kann er auch wohl einmal ein Manuscript beym Empfang bezahlen. Knebel wünscht, daß sie auf dreymal gedruckt werden, ich glaube auch, daß das die rechte Proportion ist, und so würden dadurch die drey ersten Horenstücke des künftigen Jahrs decorirt. Ich will sorgen daß sie zur rechten Zeit in Ihren Händen sind.

Haben Sie schon die abscheuliche Vorrede Stolbergs zu seinen platonischen Gesprächen gelesen? Die Blößen, die er darinne giebt sind so abgeschmackt und unleidlich daß ich große Lust habe drein zu fahren und ihn zu züchtigen. Es ist sehr leicht die unsinnige Anbilligkeit dieses bornirten Volks anschaulich zu machen, man hat dabey das vernünftige Publicum auf seiner Seite und es giebt eine Art Kriegserklärung gegen die Halbheit, die wir nun in allen Fächern beunruhigen müssen. Durch die geheime Fehde des Verschweigens, Verruckens und Verdruckens, die sie gegen uns führt, hat sie lange verdient daß ihrer nun auch in Ehren und zwar in der Continuation gedacht werde.

[334] Bey meinen wissenschaftlichen Arbeiten die ich nach und nach zusammenstelle, finde ich es doppelt nöthig, und nicht zu umgehen. Ich denke gegen Recensenten, Journalisten, Magazinsammler und Compendienschreiber sehr krank zu werke zu gehen und mich darüber, in einer Vor- oder Nachrede, gegen das Publicum unbewunden zu erklären und besonders in diesem Falle keinem seine Renitenz und Reticenz passiren zu lassen.

Was sagen Sie z.B. dazu, daß Lichtenberg, mit dem ich in Briefwechsel über die bekannten optischen Dinge, und übrigens in einem ganz leidlichen Verhältniß stehe, in seiner neuen Ausgabe von Erxlebens Compendio, meiner Versuche auch nicht einmal erwähnt, da man doch grade nur um des neuesten willen ein Compendium wieder auflegt und die Herrn, in ihre durchschoßnen Bücher, sich sonst alles geschwind genug zu notiren pflegen. Wie viel Arten giebt es nicht so eine Schrift auch nur im Vorbeygehen abzufertigen, aber auf keine derselben konnte sich der witzige Kopf in diesem Augenblicke besinnen.

Die ästhetische und sentimentale Stimmung ist in diesem Augenblick ferne von mir, was denken Sie wie es dem armen Roman gehen werde? Ich brauche die Zeit indessen wie ich kann und es ist bey der Ebbe zu hoffen, daß die Fluth wiederkehren werde.

Ich erhalte Ihren lieben Brief und danke für den Antheil dessen ich schon versichert war. Man weiß in solchen Fällen nicht ob man besser thut sich dem[335] Schmerz natürlich zu überlassen, oder sich durch die Beyhülfen die uns die Cultur anbietet zusammen zu nehmen. Entschließt man sich zu dem letzten, wie ich es immer thue, so ist man dadurch nur für einen Augenblick gebessert und ich habe bemerkt, daß die Natur durch andere Krisen immer wieder ihr Recht behauptet.

Das sechste Buch meines Romans hat auch hier guten Effect gemacht; freylich weiß der arme Leser bei solchen Productionen niemals wie er dran ist, denn er bedenkt nichts, daß er diese Bücher gar nicht in die Hand nehmen würde, wenn man nicht verstünde seine Denkkraft, seine Empfindung und seine Wißbegierde zum besten zu haben.

Die Zeugnisse für mein Mährchen find mir sehr viel werth, und ich werde künftig auch in dieser Gattung mit mehr Zuversicht zu Werke gehen.

Der letzte Band des Romans kann auf alle Fälle vor Michaeli nicht erscheinen, es wäre sehr artig, wenn wir die Plane, von denen Sie neulich sprachen, darauf richteten.

Das neue Mährchen kann wohl schwerlich im December fertig werden, selbst darf ich nicht wohl, ohne etwas auf eine oder andere Weise über die Auslegung des ersten gesagt zu haben, zu jenem übergehen. Kann ich etwas zierliches dieser Art noch im December leisten, so soll es mir lieb seyn auch auf diese Weise an dem ersten Eintritt ins Jahr Theil zu nehmen.

[336] Leben Sie recht wohl! Mögen wir recht lange uns der unsrigen und unserer Freundschaft erfreuen. Zum neuen Jahre hoffe ich Sie wieder auf einige Zeit zu besuchen.

W. d. 21. Nov. 1795.

G. [337]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1795. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-726D-F