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An Johann Friedrich Krafft

[Weimar] 14. Dezember 1778.

Ihren Brief vom 7. Dezember erhalte heut Freitags den 11ten früh.

[262] Und zuerst zu Ihrer Beruhigung, Sie sollen in nichts gezwungen sein, Sie sollen die hundert Thaler haben, wo Sie sich aufhalten, nun aber hören Sie mich.

Ich weiß, daß dem Menschen seine Vorstellungen Würcklichkeiten sind, und obgleich das Bild, das Sie sich von Jena machen, falsch ist, so weiß ich doch, daß sich nichts weniger als solch eine hypochondrische Ängstlichkeit wegraisonniren läßt. Jena hielt ich aus viel Ursachen für den besten Aufenthalt für Sie. Die Akademie und Stadt hat lang ihre alte Herrlichkeit und Wildheit verloren, die Studenten sind nicht schlimmer wie überall und viele darunter recht hübsche Leute. Man ist das Auf- und Abgehen so mancher Menschen gewohnt, daß ein einzelner nicht merckwürdig ist. Es leben viele Leute kümmerlich daselbst, daß Armuth kein Merkzeichen und Verachtung ist. Es ist doch immer eine Stadt, wo das Nothwendige eh zu haben ist, wer auf dem Lande im Winter krank würde ohne Wartung, wie elend wäre das. Ferner die Leute, zu denen ich Sie wies, sind gute Hausleute, die auch um meintwillen Ihnen gut würden begegnet sein. Bei allem, was Ihnen vorkommen konnte, war ich im Stand, Ihnen durch diesen oder jenen zu helfen. Sodann sasen Sie gewiß fest. Ich konnte Ihnen bei Ihrer Einrichtung behülflich sein, brauchte jetzt nur für Wohnung und Tisch gut zu sagen und erst nachher zu bezahlen. Ich hätte Ihnen auf Neujahr [263] ein Weniges gegeben, das übrige mit Credit gemacht. Sie wären mir näher gewesen. Jeden Markttag konnt ich Ihnen was schicken, manchmal an Wein, Viktualien, Geräthe, das mich nicht mehr kostete und Ihnen leidlicheres Leben machte, ich hätte Sie an meine Haushaltung näher anknüpfen können. Wie fatal ist die Communication mit Gera, nie kommt was zur rechten Zeit an und kostet Geld, das Niemand genießt. Sie wären vielleicht ein halb Jahr in Jena gewesen ohne daß Sie jemand bemerkt hätte. Dies ist die Lage, die mir Jena vor allem vorziehen ließ, Sie würden eben das thun, wenn Sie das Verhältniß mit ungetrübten Augen sähen. Wie wär's, wenn Sie eine Probe machten? Doch ich weiß, daß den Menschen von zitternder Nerve eine Mücke irren kann und daß dagegen kein Reden hilft.

Überlegen Sie's, Sie würden sich's um mir erleichtern, ich verspreche, daß Sie in Jena gut aufgehoben sein sollen. Können Sie's aber nicht über sich gewinnen, so bleiben Sie in Gera. Auf Neujahr sollen Sie 25 Thlr. haben und so die Vierteljahre jederzeit pränumerirt, Ostern, Johanni und Michäl. Anders kann ich meine Einrichtung nicht machen. Da es mir an meinem Platz so leicht ist, Geld zu haben, muß ich desto strenger in meiner Wirtschaft sein. Auch das, was ich Ihnen bisher gegeben habe, da es am Ende des Jahrs und ganz unerwartet kam, hat mir eine Lücke gemacht, die ich wieder flicken muß. [264] Schreiben Sie mir doch, wie viel's war? ich habe einen Posten nicht aufgeschrieben und finde einen Verstoß in meiner Rechnung.

Wenn Sie in Jena wären, könnt ich auch eher einigen Auftrag und vielleicht einiges Geschäfte Ihnen geben, Sie persönlich kennen lernen und so weiter.

Handeln Sie aber ganz nach Ihrem Herzen, und wenn meine Gründe nicht in Ihr Herz übergehen, Ihnen mit der Überzeugung nicht auch Ruhe und getrosten Muth in Jena versprechen, so bleiben Sie in Ihrer jetzigen Stille. Fangen Sie bald an, Ihr Leben zu beschreiben und schicken mir's stückweise, und sein Sie überzeugt, daß mir alles recht ist, was Sie beruhigen und zufriedenstellen kann, und daß ich Jena blos wählte, weil ich auf die bequemste und leichteste Art für mich, Ihnen das leidlichste Leben zu verschaffen hoffte.

G. [265]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1778. An Johann Friedrich Krafft. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7296-2