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An den Herzog Carl August

Fraskati d. 28. Sept. 87.

Ob wir gleich so weit aus einander sind unterhalte ich mich doch oft mit Ihnen, erzähle Ihnen wie wohl es mir geht und laße mir vom Genius ins Ohr sagen: daß Ihnen auch wohl ist daß Sie da sind leben und würcken wo Sie Sichfühlen und Ihres Daseyns genießen.

Ich bin an der friedlichen Seite der Welt, Sie am kriegrischen Ende und alles berechnet man könnte keine antipodischere Existenz haben. Hier wird das Pulver gar löblich nur zu Feuerwercken und Freudenschüßen an Festtägen verbraucht, der Soldat hütet sich eben so arg vorm Regen, als vorm Feuer. Leben und leben lassen ist das allgemeine Losungs Wort. Wir werden was zu erzählen haben wenn wir dereinst wieder zusammen kommen.

Daß ich halb unklug vom Zeichnen und aller möglichen Nachahmung der Natur bin, wird Fr. v. Stein sagen. Ich mag es hier nicht wiederholen, es schwindelt mir der Kopf bey dem Gedancken. Man kann nicht einfacher und nicht manigfaltiger leben als ich jetzt. Es ist eine ernsthafte Sache um die Kunst, wenn man es ein wenig streng nimmt, und sogar die [261] Kenntniß ist schon ein Metier, welches man doch kaum glauben mag. So viel kann ich versichern: daß wenn ich Ostern weggegangen wäre; ich eben geradezu nicht sagen dürfte ich sey dagewesen. Wie sehr danck ich Ihnen, daß Sie mir diese Muße geben und gönnen. Da doch einmal von Jugend auf mein Geist diese Richtung genommen hat; so hätte ich nie ruhig werden können, ohne dieß Ziel zu erreichen. Diesen Winter hab ich noch wacker zu thun, es soll kein Tag ja keine Stunde versäumt werden.

Noch halte ich mich immer in der Stille und sogar (ich weiß nicht, ob es lobens oder scheltenswerth ist) die Frauen haben keinen Theil an mir. Mit der einzigen Angelika gehe ich um die der Achtung jedes wohlgesinnten Menschen werth ist.

Haben Sie doch die Güte Miß Gore ein Exemplar meiner Schriften zu schicken. Künftiges Frühjahr sollen einige Zeichnungen für sie folgen, ich muß noch erst durch einige Schulen, eh ich mich produciren darf.

Die Nemesis hab ich noch nicht bestellt. Ich hoffe noch immer einmal eine schöne Anticke zu finden. Bey Pichler kostet eine Figur gegen 50 Zechinen. Ich bestelle sie auch wohl bey ihm, wenn ich nur versichert bin, daß er gute Arbeit macht. Manchmal schlaudert er wenns bestellt ist.

Neulich kam ein antiker Sokrates für 25 Zechinen vor, den ich ungern aus Händen ließ, er war trefflich gearbeitet.

[262] Mehr zum Scherz als Ernst hab ich mir auch einige Einschnitte gekauft und doch in der Absicht um mehr Kenntniß in dem Fache zu erwerben. Graf Frieß, der hier eine Menge Geld ausgegeben (er hat vielleicht für 20 m. Scudi Kunstsachen gekauft) ist noch zu guter letzte mit einem Cameo auf eine recht brillante Weise betrogen worden. Ein Steinschneider verstand sich mit einem Vignerol; dieser gab vor, den Camee im Weinberge gefunden zu haben, machte aber ein Geheimniß daraus, unter dem Vorwande, der Herr des Weinbergs (der Vignerol war nur Pächter, wie die meisten sind) werde an diesen Schatz Anspruch machen. Gr. Frieß mußte in der großen Hitze heimlich vor Rom hinausgehen, dort den Stein besehen pp genug er tappte in die Falle bezahlte den Stein sehr hoch pp.

Die Sache kam bald ans Licht, einen Theil seines Geldes erhielt er wieder pp.

Es ist das eine theure Art zur Kenntniß zu gelangen.

Leben Sie recht wohl. Eh ich michs versah bin ich ins Erzählen und schwätzen gerathen.

Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn, erhalten Sie mir Ihre Liebe und laßen mir die Freude zu dencken daß ich auch für Sie genießend sammle und gewinne.

G. [263]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-72BB-0