23/6365.

An Charlotte von Stein

In der Stunde, da die Meinigen sich zur Abreise bereiten, will ich Ihnen verehrte Freundinn noch ein Wort des Andenkens und des Dankes für Ihre werthen Blätter einsiegeln. Die Überbringenden werden erzählen können, daß uns bisher manches Gute mit eingefreuten Übeln widerfahren. Nun denke ich noch vier Wochen hier zu bleiben um auf den Rath der Ärzte eine regelmäßige Nachcur zu brauchen und in Ruhe einige Arbeiten, zu denen ich verpflichtet bin, zu vollenden. Dabey kann ich denn abwarten, wie nach und nach die Curgäste sich verlieren, ob gleich manche sich vorbereiten, den Winter hier zuzubringen.

Unser gute Erbprinz ist vorgestern hier angekommen; es gefällt ihm hier ganz wohl, und er sieht sich an allen Orten und Enden um. Er wird über Prag nach Töplitz zurückgehn und von da über Dresden sein Weimar suchen. Sowohl er als der Herzog werden nicht verfehlen, von Ihro Majestät der Kaiserinn manches zu referiren, deren Vorzüge wir vier Wochen lang in der Nähe zu bewundern Gelegenheit hatten.

Es freute mich, daß Sie, verehrte Freundinn, meine Gedichte gut aufgenommen haben, die ich der jetzigen Zeit nicht ohne Sorge publicirte. In Töplitz hatte ich das Vergnügen, daß mir einer der ersten Staatsmänner Böhmens seine Zufriedenheit darüber bezeigte [72] und mich diplomatisch belobte, daß ich eine bedenkliche Aufgabe glücklich gelöst. Er setzte hinzu, daß er gerade in diesem Falle, wo er so manche Inschrift, Gedicht, Anrede durchsehen und beurtheilen müssen, die Schwierigkeit, etwas dergleichen zu verfassen, recht angesehn, indem wenig jener Productionen gewesen, die nicht an irgend einer Seite angestoßen.

Verzeihen Sie, daß ich mich dieser Verlobungen rühme, die ich mehr einem guten Glück als meinem Talent verdanke.

Haben Sie die Güte mich unseren gnädigsten Damen ehrfurchtsvoll zu Füßen zu legen. Ich hoffe daß sie sich beyderseits recht wohl befinden und daß ich sie auch wieder so antreffen werde. Empfehlen Sie mich Gönnerinnen und Freundinnen zu geneigtem Andenken, und erhalten mir Ihr Wohlwollen.

Was werden Sie aber sagen, wenn es nicht in meiner Macht steht anders zu datiren als

Carlsbad

den 15. August

als am Napoleonsfeste

beym stärksten Glockengeläute

und Kannonendonner

treu gewidmet

1812.

Goethe. [73]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7349-8