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An Charlotte von Stein

Carlsruh, d. 20. Dez. 79.

Weil uns die Briefe nicht mehr in die Schweiz folgen durften, ist ein gros Packet in Franckfurt liegen blieben, und hier erhalt ich also vier Ihrer Briefe auf einmal. Sie sind recht Lieb und gut dass Sie fortfahren mir zu schreiben. Ich habe vergebens etlichemal angesezt meine Reise Beschreibung ins reine zu bringen, ieder Tag war wieder so ganz besezt dass ich leider zurückbleiben muss.

Hier freut mich die kleine Staff am meisten, doch ist die arme Seele auch schon stiller und in sich gebracht, es geht ihr in so fern wohl und sie weis sich ziemlich zu schicken.

In Stuttgard haben wir den Feyerlichkeiten des Jahrstags der Militär Akademie beygewohnt, der Herzog war äuserst galant gegen den unsrigen, und ohne das incognito zu brechen hat er ihm die möglichste Aufmercksamkeit bezeigt.

Uns andre hat er auch sehr artig behandelt, und in allem Betracht war dieser achttägige Aufenthalt sehr merckwürdig und instrucktiv für uns.

Nun gehts über Mannheim auf Franckfurt. Von da sollen Sie weiter hören. Hier findet man den Herzog wohl aussehend, doch hat sich bisher noch keine Herzlichkeit zwischen den hohen Herzen spüren [154] lassen. Es muss sich heute geben oder nie denn morgen früh verreisen wir. Adieu beste grüsen Sie Steinen. Dancken Sie der Herzoginn für ihre Antwort. Der Waldnern für das Zettelgen u.s.w. Die Grasaffen werden wohl gewachsen seyn, und das durchlauchtige Grasäffgen auch. Hier sind die Kinder schön und allerliebst. Der Marckgraf gefällig und unterhaltend. Die Markgräfin gefällig und gesprächig, der Erbprinz in seine Augbrauen retranchirt aber gutwillig, die Erbprinzess sehr passiv am Gängelbande der Frau Schwiegermama. Der zweite Prinz artig und möchte gern, der iüngste ganz ins Fleisch gebacken. So viel von der unterthänigsten Sensation des ersten Tags. Nochmals Adieu.

G.


Mannheim d. 22. Dez. Von Carlsruh sind wir gestern früh ab. Die Langeweile hat sich von Stund zu stund verstärckt. Von der armen Albertine hab ich sehr zärtlichen Abschied genommen, so ein Würmgen ist doch recht übel dran. Adieu Gold. Gott im Himmel was ist Weimar für ein Paradies!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1779. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-73AD-8