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An Carl Friedrich Zelter

Glück also und gutes Behagen zur Rückkehr in's Häusliche! mögest du dich dort finden, wie du mich hier gelassen hast. Mir bleibt unser Zusammenleben von großer Bedeutung, möge es dir gleichfalls gesegnet seyn.

Deine lieben musikalischen Hieroglyphen sollen sich bald vor meinem Ohre auflösen, und ich werde gewiß daran mich ergötzen und erquicken.

Ein Unsriger, von Paris zurückkehrend, hat mir gar Angenehmes mitgebracht. Der Übersetzer meiner dramatischen Werke, Albert Stapfer, sendet mir den vierten und letzten Theil zu Complettirung des Ganzen und veranlaßt mich zu gar manchen Betrachtungen. Die neustrebenden Franzosen können uns gar gut brauchen, wenn sie ihre bisherige Literatur als beschränkt, einseitig und stationär vorstellen wollen. Sie setzen mit alter Gewalt eine allgemeinere Kenntniß der sämmtlichen Literaturen durch. Veranlasse doch, daß die Zeitschrift Le Globe (nicht der englische The Globe) in Berlin gehalten werde; über diesen Punct schien der gute Spiker höchst beschränkt, so daß ich auch gleich abbrach.

Von Baron Cuvier habe gleichfalls eine höchst interessante Sendung: es sind die besondern Abdrücke seiner in der Akademie neuerlichst gehaltenen Vorträge, [114] theils wissenschaftliche Übersichten, theils sogenannte Elogen, nach dem Tod einzelner Männer Darstellung ihres Wesens und Wirkens. Wenn man sie nach einander mit Ruhe liest, so erstaunt man über den Reichthum des wissenschaftlichen Gehaltes, über das bewegte Leben, wodurch dieser zusammengeführt wird wie über die Klarheit und Faßlichkeit des Vortrags; der Gelehrte, der Welt- und Geschäftsmann treten vereint auf.

Von Demoiselle Sontag weißt du jetzt mehr als ich; vor einiger Zeit hieß es, sie sey im Stillen hier durchgegangen, ich wunderte mich darüber nicht, denn es war gerad' noch Zeit zum Geburtstag des Königs anzulangen. Jetzt sagen sie, am 10. werde sie hier seyn. Das wollen wir denn abwarten oder Nachricht, daß sie bey euch schon wieder bewundert worden.

Erwünschte Abendunterhaltung mit Freund Riemer gewährt uns jetzt die belobte Correspondenz; wir gehen sie durch, revidiren, corrigiren, interpungiren, und so gibt es ein reines Manuscript für jede Zukunft. Dein Porträt steht auf der Staffeley, theilnehmend und Zeugniß gebend. Gewiß ist diese bildliche Gegenwart, als Fortsetzung der wirklichen, höchst erfreulich. Nichts kann die Versicherung eines wohlzuge brachten Lebens mehr gewähren als ein so unmittelbarer Blick an die dreyßig Jahre hinterwärts, wenn uns da ein reiner, mäßiger, aber auf's Gute [115] und Vortreffliche unverwandt gerichteter Schritt zur Ansicht kommt. Ich freue mich, den Überrest des Jahrs dieser belohnenden Sorgfalt für das glücklich abgeschlossene Manuscript zu widmen.

Nächstens das Weitere mit den sechs letzten Aushängebogen; hierbey ein einzelner, mit Dank für die Mittheilung.

treu angehörig

Weimar den 5. August 1826.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-73F9-D