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An Georg Friedrich Benecke

Wohlgeborner,
insonders hochgeehrter Herr!

Ew. Wohlgeboren konnten mich nicht bedeutender an die schöne Zeit unserer ersten Bekanntschaft erinnern, da ich in Göttingen freundlichst aufgenommen, unter Anleitung höchst wissenschaftlicher Männer meinen Zweck eifrig zu verfolgen fand.

Auf die gegenwärtige Mittheilung läßt sich nur mit überraschter Beschämung danken. Seit seinem ersten Erscheinen begleitete ich, mit näheren und ferneren Freunden, ja mit Einstimmung von ganz Deutschland und der Welt, jenes charakter-gegründete, gränzenlos productive, kräftig unaufhaltsame, zart-liebliche Wesen auf allen seinen Pfaden. Ich suchte mich mit ihm durch Übersetzung zu identificiren und an seine zartesten Gefühle, wie an dessen kühnsten Humor mich anzuschließen; wobey denn, um nur des letztern Falles zu gedenken, allein die Unmöglichkeit, über den Text ganz klar zu werden, mich abhalten konnte, eine angefangene Übersetzung von English Bards und Scotch Reviewers durchzuführen.

Von einem so hochverehrten Manne solch eine Theilnahme zu erfahren, solch ein Zeugniß übereinstimmender Besinnungen zu vernehmen, muß um desto unerwarteter seyn, da es nie gehofft, kaum gewünscht werden durfte.

[204] Mögen Ew. Wohlgeboren dieses vorläufig dem englischen Freunde mit aufrichtigem Dank für dessen Vermittelung zu erkennen geben, so werden Sie mich sehr verbinden.

Die Handschrift des theuren Mannes erfolgt ungern zurück, denn wer möchte willig das Original eines Documents von so großem Werth entbehrten? Das Alter, das denn doch zuletzt an sich selbst zu zweifeln anfängt, bedarf solcher Zeugnisse, deren anregende Kraft der Jüngere vielleicht nicht ertragen hätte.

Und nun schließe mit Wunsch und Bitte, daß Dieselben ein wohlwollendes Andenken mir immer erhalten mögen.

Ew. Wohlgeboren

ganz ergebenster

J. W. v. Goethe.

Weimar den 12. November 1822.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Georg Friedrich Benecke. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7406-7