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An Johanne Susanne Bohl

Rom, d 18. Aug. 87.

Wenn ich nach unserm hiesigen Sommer rechne; so haben Sie auch gute Wittrung gehabt und alle Feldfrüchte sind der braven Hausmutter glücklich eingebracht worden. Ich habe indeß ein schön Stück Welt gesehen und manchmal einen so wohlthätigen Himmel über das Saalthal gewünscht als er über den meisten Theilen dieser Halbinsel und ihrer Inseln schwebt.

In Sicilien hab ich an Sie gedacht, wie schön steht da der Waitzen, die Gerste! gleichsam in Ihrem natürlichen Zustande, wie sicher ist die Jahrszeit und wie bequem die Erndte! Wir im Norden scheinen nur wie unglückliche Nachahmer uns zu quälen. Vergebens suchen wir durch Mühe, Geduld und Anhalten das zu ersetzen was uns eine gütige Natur versagt hat.

Manche Bemerckungen, die ich gemacht habe, können durch Vergleichung nützlich werden. Zwischen Neapel und Capua ist gleichfalls eine Fruchtbarkeit die alle [248] unsre Begriffe übersteigt. Man glaubt nur die wiederhohlten Erndten Eines Bodens, wenn man sieht, wie schnell sich hier die Pflanze entwickelt. Im vorigen Jahr haben sie auf demselben Acker dreymal Türckisch Korn zur Reife gebracht.

Verzeihen Sie meine liebe, wenn ich Ihnen durch diese Erzählungen die Lobedaer Flur auf einen Augenblick verleide. Von der andern Seite muß ich Ihnen sagen: daß Sie gar manches in diesem schönen Lande finden würden, womit sich Ihr Gemüth nicht vereinigen könnte. Doch davon mündlich.

Daß ich aufmercksam und fleisig bin, brauche ich Ihnen nicht zu versichern. Hier in Rom ist man gezwungen seine Zeit wohl anzuwenden. Die Menge der Gegenstände dringt sich einem auf und es ist übrigens eine stille und ernsthafte Stadt, mit soviel Festen und Mummereyen, sie auch Ihre Tage und Nächte vermanichfaltigen mögen.

Sept. und Oktbr. werden hoffentlich ein Paar himmlische Monate, die ich auf dem Lande zuzubringen gedencke. Erinnern Sie Sich mein an schönen Tagen.

Mad. Angelika seh ich oft und sie erwiedert Ihren Gruß. Es ist eine treffliche Frau, und eine einzige Künstlerinn. Leben Sie wohl, grüßen Sie die Ihrigen.

Goethe. [249]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Johanne Susanne Bohl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7444-A